Mit drei Siegen in drei Spielen hat Argentinien punktemässig bei der laufenden Fussball-WM das Maximum erreicht. Geholfen hat dabei dieses Mal nicht die «Hand Gottes» in Person von Diego Maradona, sondern zwei Geniestreiche der aktuellen Nummer zehn im Team, Lionel Messi. Während die beiden ausgerechnet im Land des grossen Rivalen Brasilien errungenen Erfolge den Gauchos runtergingen wie Öl, stösst ihnen eine vor dem obersten US-Gerichtshof erlittene Schlappe hingegen sauer auf.

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Dort wurde ein Einspruch der argentinischen Regierung gegen ein Urteil des New Yorker Richters Thomas Griesa aus dem Jahr 2012 abgelehnt, welches das südamerikanische Land dazu verpflichtet, 1,5 Milliarden Dollar an klagende Hedge Funds zu zahlen. Diese Summe scheint zunächst überschaubar zu sein, doch der Richterspruch stellt Argentinien vor ein grosses Problem. Aus Gründen der Gleichbehandlung könnte eine Zahlung eine weitere Zahlung von 15 Milliarden Dollar an andere Gläubiger nach sich ziehen.

Leere Kassen und Zeitdruck

Das wäre ein Betrag, den sich das Land nicht wirklich leisten kann, nachdem die Devisenreserven mit zuletzt 28,8 Milliarden Dollar seit 2011 in etwa um die Hälfte geschrumpft sind. Verkompliziert wird die Lage durch einen hohen Zeitdruck, muss eine Entscheidung hinsichtlich des Urteils doch schon bis Ende Juni getroffen werden, weil dann der nächste Fälligkeitstermin zur Bedienung von Altanleihen ansteht, und weil aber zuerst die Hedge Funds bedient werden müssen.

Kein Wunder also, dass Argentinien 13 Jahre nach dem letzten Staatsbankrott wieder als Pleitekandidat gehandelt wird. Auch die lokalen Finanzmärkte reagierten auf die jüngsten Ereignisse mit volatilen Ausschlägen. Zuletzt setzte sich aber sogar eine freundliche Tendenz durch. Verantwortlich dafür war die Kompromissbereitschaft, die sowohl die Hedge Funds als auch die argentinische Regierung signalisierten. Der Renditeaufschlag der bis 2033 laufenden Argentinien-Anleihen gegenüber vergleichbaren US-Staatsanleihen hat sich bei einem Stand von 9,97 Prozent dadurch mit 6,74 Prozentpunkten spürbar verringert. Neben niedrigen Währungsreserven ist die hohe Inflation von mehr als 30 Prozent sowie eine in diesem Jahr voraussichtlich leicht schrumpfende Wirtschaft ebenfalls kritisch zu werten.

Vorsicht ist angebracht

Die Credit Suisse gibt vor diesem Hintergrund mit Blick auf den Anleihenmarkt folgende Handelsempfehlung ab: «Berücksichtigt man den Finanzbedarf Argentiniens für das nächste Jahr, die begrenzten Finanzierungsressourcen sowie die sinkenden Reserven, so ist die Möglichkeit eines Szenarios mit einem «Selective Default» nicht zu unterschätzen, weshalb wir Anleihen nach ausländischem Recht (Quasi-Staatsanleihen und Emissionen der Provinzen) nach wie vor als negativ einschätzen. Wie zu erkennen war, dürften auch Anleihen nach lokalem Recht nicht immun gegen diese Entwicklungen bleiben, was vor allem daran liegen dürfte, dass der Ausgang der Angelegenheit die Kreditwürdigkeit Argentiniens beeinflusst. Gleichwohl sind wir der Meinung, dass die Regierung verstärkt ihren Zahlungswillen unter Beweis stellen wird, weshalb wir nach wie vor Anleihen nach lokalem Recht bevorzugen. Aufgrund der Inversion der Renditekurve bevorzugen wir Instrumente mit kurzer Laufzeit.»

In der Tat dürfte die Regierung um Präsidentin Kirchner, die bisher eine Zahlung kategorisch abgelehnt hatte, bei einem rationalen Vorgehen ein Interesse daran haben, die Lage nicht eskalieren zu lassen. Denn im Vorfeld der im Herbst 2015 anstehenden Wahlen geht es auch darum, die Wirtschaftslage zu verbessern. Die Chancen dafür dürften sich mit einer erfolgreichen Rückkehr auf den Kapitalmarkt deutlich erhöhen.

Hohes Risiko – Bonität weiter abgestuft

Um dieses Ziel zu erreichen, sind die politisch Verantwortlichen auch bereits etwas von ihrer fragwürdigen Wirtschaftspolitik abgerückt. Staatliche Konjunkturdaten werden jetzt wieder etwas plausibler nachvollziehbar berechnet, im langwierigen Schuldenstreit mit dem Pariser Club wurde eine Vereinbarung erzielt und das spanische Ölunternehmen Repsol erhielt nach der Verstaatlichung der argentinischen Tochterfirma YPF doch noch eine Entschädigung.

In der Ausgabe vom 18. Oktober 2013 hatte stocksDIGITAL bereits argentinische Obligationen vorgestellt, die bis dahin im Kurs leicht gestiegen waren. Die bis zum 17.4.2017 laufende und in Dollar emittierte Argentinien-Anleihe DL-Bonos  (ISIN: ARARGE03F441) wirft im Idealfall eine Rendite von 12,0 Prozent ab. Die bis zum 1.12.2020 laufende Anleihe des Flughafenbetreiber Aeropuertos Argentina (ISIN: USP0092MAD58) bringt eine Rendite von 10,5 Prozent. Nach wie vor sind beide Papiere aber spekulativ, und dabei wurde die Bonität von Argentinien gegenüber Oktober von Standard & Poor's sogar noch weiter auf CCC- zurückgestuft. Wegen der skizzierten Altlasten ändert an diesem schlechten Urteil auch die Tatsache nichts, dass der aktuelle Schuldenstand bei herausgerechneten innerstaatlichen Forderungen derzeit nur 18 Prozent beträgt, gemessen am Bruttoinlandprodukt.

Merval im Höhenflug 

Die schwache Bonitätsnote und die etwas chaotische Wirtschaftspolitik halten dennoch den lokalen Aktienmarkt nicht von Kursgewinnen ab. Vielmehr wird dadurch die Hausse sogar noch gefördert, denn durch die verhängten Devisenhandelsbeschränkungen versuchen Anleger über den Kauf argentinischer Aktien und über einen Verkauf dieser Papiere über ADRs, die in den USA gehandelt werden, an Dollar zu kommen.

Der Merval, der Leitindex des Landes, weist auch deshalb auf Sicht von zwölf Monaten ein Plus von rund 160 Prozent auf. Durch die Kurssteigerungen hat sich der Bewertungsabschlag des Merval im Vergleich mit anderen lateinamerikanischen Börsen auf Jahressicht von 70 auf unter 40 Prozent verringert, das KGV ist mit etwa 7,5 optisch immer noch günstig.

Peso fällt ins Bodenlose

Anleger sollten auch den Abwertungsdruck beachten. Seit Anfang Juni 2013 hat der Peso gegenüber Schweizer Franken und US Dollar jeweils rund 50 Prozent an Wert verloren. Weitere Währungsverluste sind wahrscheinlich. So bewegt sich der Schwarzmarktpreis des Peso bereits deutlich unter dem offiziellen Niveau, und die Analysten von J.P. Morgan befürchten noch in diesem Jahr eine Abwertung gegenüber dem Dollar um 27 Prozent und 2015 um weitere 11 Prozent.

Wer davon ausgeht, dass die Aktienkurse auch weiterhin schneller steigen werden als der Peso gleichzeitig nachgibt, sollte jedoch wegen der spärlichen Unternehmensinformationen eher nicht in argentinische Einzelwerte investieren, sondern auch wegen der breiteren Streuung den Index spielen.

Chancen mit einem Argentinia-Basket

Zu den wenigen Anbietern, die etwas Passendes im Produktportfolio führen, zählt die Royal Bank of Scotland, die ein Indexzertifikat auf den ABN-Amro-Argentinia-Basket (ISIN: CH0028428255) anbietet. Aufgehen könnte diese Wette insbesondere, wenn es nach den Wahlen in einem Jahr zu einem echten Politikwechsel kommen sollte.

Bei allen Negativschlagzeilen, welche Argentinien in der jüngeren Vergangenheit produziert hat, darf nicht vergessen werden, dass das Land mehr zu bieten hat als nur den Fussball-Superstar Messi. Wie Morgan Stanley herausstreicht, ist das Land reich an natürlichen Ressourcen, es verfügt über eine diversifizierte Volkswirtschaft und über gut ausgebildete Arbeitskräfte. Alles das birgt enormes wirtschaftliches Potenzial.