Noch Ende September herrschte an der Börse eitel Sonnenschein. Die Schweizer Börse hatte seit Anfang Jahr gut 10 Prozent an Wert zugelegt. Im Gegenzug war die Volatilität, als Indikator für die Risikowahrnehmung der Investoren, weit unter den langjährigen Durchschnitt abgesunken. Doch Anfang Oktober dominierten in den News zunehmend negative Schlagzeilen zur Konjunktur in Europa. Hinzu kam die Befürchtung, die US-Notenbank könnte die Leitzinsen bereits früher als erwartet anheben.

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In nur zwei Wochen fiel der Swiss-Market-Index (SMI) von 8835 auf 8058 Punkte. Gleichzeitig sprang die Volatilität auf den höchsten Wert seit dem Sommer 2013. Die Investoren waren alarmiert. Auch im Blog der Migros Bank äusserten vereinzelte Anleger die Kritik, wir hätten zu wenig auf das Risiko einer Kurskorrektur hingewiesen.

Konstanz zahlt sich aus

Tatsächlich hatten wir keine Verkaufsempfehlung herausgegeben. Stattdessen stützten wir unsere Einschätzung zu den Finanzmärkten konsequent auf zwei Grundprinzipien: Erstens braucht es für die Geldanlage einen langfristigen Planungshorizont (siehe zum Beispiel «Dummes versus smartes Geld»). Und zweitens lassen sich kurzfristige Schwankungen kaum voraussagen, weshalb eine «Kaufen und Halten»-Strategie gegenüber dem Markt-Timing im Vorteil ist (unsere Studie dazu lesen Sie unter diesem Link).

Die jüngste, heftige Kurskorrektur deutet allerdings darauf hin, dass die Anleger vermehrt zu (überhasteten) kurzfristigen Reaktionen neigen – zu ihrem eigenen Schaden. Studien haben gezeigt, dass über einen sehr langen Zeitraum von rund 80 Jahren an den US-Börsen bei einer Haltedauer einer Aktie von einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 72 Prozent ein Gewinn eintritt. Wer die Aktie hingegen fünf Jahre hält, hat eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 88 Prozent, bei einer Haltedauer von zehn Jahren liegt diese Wahrscheinlichkeit schon bei 94 Prozent.

Hohes Verlustrisiko bei kurzem Anlagehorizont

Wer die Aktie hingegen nur ganz kurz hält, hat ein deutlich erhöhtes Risiko auf Verlust. Bei einer Haltedauer von nur einem Monat liegt die Gewinnwahrscheinlichkeit nämlich nur bei 56 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts beträgt dabei entsprechend 44 Prozent. Hier kommt nun zusätzlich die menschliche Psyche ins Spiel: Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann hat nachgewiesen, dass wir einen Verlust deutlich stärker gewichten, als dies bei einem gleich grossen Gewinn der Fall ist.

Was folgt daraus für die Praxis? Viele Anleger könnten ihre Finanzplanung durchaus auf einen langen Zeithorizont ausrichten. Das tun sie aber nicht. Aufgrund der Verlustaversion verkürzen sie die Planungsfrist unnötigerweise auf wenige Monate oder gar Wochen.

Verlustaversion führt zu schlechten Ergebnissen

Die Ereignisse vom Oktober haben schon fast lehrbuchmässig gezeigt, dass die Verlustaversion zu schlechten Anlageentscheiden führt – und dass nur der Ungeduldige sein Heu nass einfährt. Es dauerte nämlich keine zwei Wochen bis der Swiss-Market-Index seine Verluste wettgemacht hatte. Damit nicht genug: Im November kletterte der Index weiter auf ein neues Jahreshöchst und knackte die 9000-Punkte-Marke.

Natürlich besteht ein latentes Risiko, dass die Kurse in den folgenden Monaten erneut ins Rutschen kommen. Der Börsenzyklus befindet sich nach seinem dreijährigen Aufschwung mittlerweile in einem reifen Stadium. Womöglich wird es beim nächsten Taucher einen längeren Atem brauchen, bis sich die Kurse wieder erholen. Immerhin fällt jedoch die Geduldsprobe für die Aktionäre dank der nach wie vor ansehnlichen Dividendenrendite von rund 3 Prozent etwas erträglicher aus.

Albert Steck, Markt- und Produktanalyse Migros Bank