Die Büros auf der 28. Etage des World Trade Center in Manama sind menschenleer. Die Mitarbeiter der Bahrainer Filiale der UBS bleiben seit Tagen zuhause – aus Angst. Denn ein paar hundert Meter vom imposanten 50-stöckigen Wolkenkratzer im Finanzzentrum knüppelte die Regierung des Königreichs mit Hilfe saudischer Truppen die Forderungen der Bevölkerung nach Demokratie brutal nieder.
Den Schweizer Banken ist die Lage längst zu brenzlig. Sie holen ihr Personal nach Hause oder schliessen die Büros vorübergehend. Doch das ist nur eine Folge der Umwälzungen in der arabischen Welt. «Seit den Unruhen werden im grossen Stil Gelder aus diesen Ländern abgezogen», sagt Heiner Weber, Leiter der Genfer Filiale der Falcon Private Bank. Das Bankhaus gehört dem Staatsfonds des Emirats Abu Dhabi. Allein im Königreich Bahrain sei bisher rund ein Drittel der Vermögen ins Ausland abgeflossen, schätzt der Experte.
120 Banken auf eine Million Einwohner
Dabei galt Bahrain einst als Eldorado der Finanzwelt. Mit viel Pomp eröffnete die UBS 2002 ihre neue Niederlassung im Königreich. Zur Feier im Hotel Le Meridien kam Finanzminister Abdullah Hassan Saif ebenso wie Zentralbank-Chef Prinz Scheich Ahmed bin Mohammed Al Khalifa. Der Ableger in Bahrain sollte islamischen Kunden Finanzprodukte anbieten, die der Scharia entsprechen, dem islamischen Kirchenrecht.
Davon sah nicht nur die UBS ein gutes Geschäft. Um vom versiegenden Ölreichtum unabhängiger zu werden, wurde in Bahrain früh eine schlagkräftige Finanzindustrie aufgebaut. Die trägt heute fast einen Drittel zum Bruttoinlandprodukt bei. Auf rund eine Million Einwohner kommen über 120 Banken. Im 240 Meter hohen Bahrain World Trade Center liess sich darum nicht nur die UBS nieder, sondern die internationale Finanzelite, darunter auch die Schweizer Konkurrenten Credit Suisse und Sarasin.
Bahrains steiler Aufstieg
Der Einsatz schien sich zu lohnen: Bis zum Ausbruch der Proteste war die Insel im Persischen Golf der am schnellsten wachsende Markt im Nahen Osten. In der Rangliste der globalen Finanzzentren des Londoner Think-Tank Z/Yen konnte sich Manama in den letzten Jahren kontinuierlich nach oben arbeiten. In der Region klassierten sich nur noch Dubai und Katar vor Bahrain.
Heute steht das alles auf dem Spiel. «Viele ausländische Banker haben das Land verlassen oder orientieren sich nach Qatar, nachdem Blockaden, zeitweise Ausfälle des Internets und partielle Ausgangssperren das gesamte Geschäft zum Erliegen gebracht haben», sagt Zaid el-Mogaddedi, Gründer des Institute for Islamic Banking and Finance. Einige ausländische Banken dürften nun dem Land zumindest vorübergehend den Rücken kehren, ist er überzeugt.
UBS, Credit Suisse und Sarasin denken nach eigenen Aussagen noch nicht über einen Rückzug aus der Region nach. Sie haben aber für ihre Mitarbeiter vor Ort Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die UBS beobachtet die Entwicklung und wird ihre Präsenz in den Gebieten den Bedingungen anpassen. «Prognosen sind in der gegenwärtigen Situation des generellen Umbruchs schwierig», so die UBS zu den Aussichten in der Region. Wie das Geschäft derzeit läuft und ob es zu Mittelabflüssen gekommen ist, dazu will sie nichts sagen.
Persönliche Beziehungen nirgendwo so wichtig
Die Credit Suisse hat im letzten Jahr eine Niederlassung in Bahrains Hauptstadt Manama eröffnet und die Bank Sarasin hat seit August 2010 unter dem Namen Sarasin-Alpen eine Zweigniederlassung. Auch sie sind beunruhigt. «Die Situation in Bahrain wird seit Ausbruch der Proteste sehr sorgfältig beobachtet», lässt die Bank Sarasin verlauten. Die Sicherheit der sechs Angestellten habe höchste Priorität. «Es werden sofern nötig Massnahmen ergriffen, um den Schutz unserer Mitarbeitenden und unserer Geschäftsinteressen sicherzustellen.» Auf die Geschäftstätigkeit hatten die Unruhen bislang wenig Auswirkungen. Alle Gelder aus dem Nahen Osten werden in der Schweiz gebucht.
Sarasin, die Credit Suisse und die UBS sind nicht die Einzigen, die auf die arabische Karte setzten. Auch die CS-Tochter Clariden Leu, Julius Bär und die Privatbankengruppe EFG sind in der Region vertreten (siehe Grafik). «Die arabischen Kunden bringen die Vermögen zu Schweizer Banken vor Ort, weil sie ihr Geld in der Schweiz anlegen wollen», sagt Daniel Diemers, Finanzexperte für den Nahen Osten und Geschäftsleitungsmitglied bei Booz & Company. Für die helvetischen Banken stelle der Standort deshalb vor allem einen Türöffner dar, um mit der Kundschaft ins Geschäft zu kommen.
Für das Bankgeschäft in der arabischen Welt sind die persönlichen Beziehungen noch wichtiger als anderswo. Zuerst wird Freundschaft geschlossen, erst dann werden Geschäfte gemacht. Zudem ist es für die reiche arabische Kundschaft wichtig, dass sich die ausländischen Banken zur Region bekennen und nicht bei den ersten Schwierigkeiten im Land schon wieder die Segel streichen.
Am Scheideweg
Insofern könnte es sich für die Schweizer also auszahlen, schon früh in Arabien investiert zu haben. Laut Experte Zaid el-Mogaddedi wäre es falsch, jetzt Reissaus zu nehmen.Und Nahost-Banker Weber sagt: «Ob die Onshore-Strategie richtig ist, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen». Man sei an einem Scheideweg.
Traditionell hatten die vermögenden Araber einen Grossteil ihrer Gelder in europäischen Finanzplätzen angelegt. In den Jahren vor den Unruhen brachten dann viele die Vermögen in ihr Heimatland zurück, vor allem nach dem 11. September und der Finanzkrise. Im Vordergrund stand, eine hohe Rendite zu erwirtschaften. Nun setzt wieder der Gegentrend ein. «Jetzt stehen Sicherheit und Diversifikation an erster Stelle», so Weber.
In Bahrain herrscht inzwischen wieder Ruhe. Das Zeltlager der Demonstranten auf dem Perlenplatz, von wo der King Faisal Highway in drei Autominten zum Finanzzentrum führt, ist geräumt. Doch ausgestanden ist damit die Krise nicht. Die Ratingagentur Fitch hat Bahrain eben herabgestuft. Grund für die Entscheidung sei die Gefahr, dass sich die politische Situation auf das Wirtschaftswachstum und die Finanzen des Golfstaats auswirke. Auch die Schweizer Banken müssen wohl ihre Geschäftspläne überdenken.
Arabische Finanzplätze: Profitieren von den strengen Regeln
Bahrain Der Finanzplatz des Königreichs gilt als der älteste der Golfregion. Durch die Nähe zu Saudi-Arabien ergeben
sich wirtschaftlich enge Verbindungen. Viele saudische Unternehmen verfügen über Firmensitze im weniger regulierten Bahrain und die Banken sind viel freier als im grossen Nachbarland.
Saudi-Arabien Der grösste Private-Banking-Markt in der Golfregion. Das Bankgeschäft ist unter anderem aus aufsichtsrechtlichen Gründen sehr schwierig, davon profitieren andere Länder.
Abu Dhabi/Dubai Die Vereinigten Arabischen Emirate gelten wegen ihres grossen Marktes als zukunftsträchtig.
Zudem sind die Arbeitskräfte gut ausgebildet. Abu Dhabi und Dubai sind die wichtigsten Städte.