Wer die Stelle wechselt, muss seinem ehemaligen Arbeitgeber mitteilen, bei welcher Vorsorgeeinrichtung er neu versichert ist. Dorthin wird dann sein Pensionskassenguthaben überwiesen.
Kommt es von der einen oder anderen Seite zu einer Kündigung, ohne dass bereits ein neuer Arbeitgeber vorhanden ist, wird das Geld zwischenparkiert. Dazu muss der Versicherte ein oder zwei Freizügigkeitskonten eröffnen, auf die das Alterskapital fliessen soll.
Viele Arbeitnehmer hinterlassen keine Bankdaten
Soweit die Theorie – und bei vielen Unternehmen ist dies auch der Normalfall. In der Praxis zeigt sich aber, dass viele Arbeitnehmer ihre Stelle verlassen, ohne neue Bankdaten für ihr Freizügigkeitskapital zu hinterlassen. Und es gibt auch viele Unternehmen, die sich zu wenig darum kümmern und ihre ehemaligen Mitarbeiter ohne nachzufragen einfach ziehen lassen. Die Folge: Rund 5 Milliarden Franken, also 10 Prozent aller Guthaben auf Freizügigkeitskonten, gehen auf diese Weise «verloren».
In solchen Fällen überweisen viele Vorsorgestiftungen die Gelder einfach an die Freizügigkeitsstiftung einer Bank, mit der sie eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Die Bank versucht dann, mit den jeweiligen Versicherten Kontakt aufzunehmen. Fehlt ein aktueller Kontakt, so kümmern sich Spezialisten darum.
Finanzkontrolle kritisiert heutige Praxis
Grössere Banken wie Credit Suisse, UBS oder Raiffeisen haben dafür sogar eigene Abteilungen geschaffen. Die dortigen Fachleute forschen nach, wo die Besitzer der Vorsorgegelder verblieben sind, und senden ihnen das Geld auf ein Freizügigkeitskonto bei einer Bank ihrer Wahl. «Mit gutem Erfolg», wie Emmanuel Ullmann, Leiter Freizügigkeit bei der UBS, berichtet.
Doch mit der eingespielten Praxis soll nun nach dem Willen der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) Schluss sein: In einem 70-seitigen Bericht zu den Freizügigkeitseinrichtungen fordert die oberste Finanzkontrolle des Bundes von den Aufsichtsbehörden, dass «bestehende Vereinbarungen zwischen Freizügigkeitseinrichtungen und Pensionskassen zur Überweisung der Freizügigkeitsguthaben konsequent zu beanstanden» seien.
Aktuelle Praxis nützt den Versicherten
Grund für das harsche Urteil: Solche Vereinbarungen entsprechen nicht dem Wortlaut des Gesetzes. Gemäss Freizügigkeitsgesetz müssen «vergessene» Gelder nämlich mindestens sechs Monate bei der alten Pensionskasse bleiben. Danach müssen sie an die Auffangeinrichtung, also an die Freizügigkeitsstiftung des Bundes, überwiesen werden.
Doch für alle in der bisherigen Praxis direkt Involvierten wäre dies eine unnötige Paragrafenreiterei: Die Pensionskassen möchten die kontaktlosen Konten möglichst rasch aus ihren Büchern haben, die spezialisierten Banken arbeiten effizient und die Versicherten haben so eine reelle Chance, ihr vergessenes Geld doch noch zu erhalten. Und bekommen bei Banken und Versicherungen Beratung zu ihren FZ-Anlagen.
Einverständnis bei Stellenantritt
Auch die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK) sieht darum wenig Handlungsbedarf. Immerhin möchte sie der EFK formell entgegenkommen und von den Pensionskassen verlangen, dass sie bei den Versicherten jeweils das explizite Einverständnis einholen, die Gelder an eine zuvor ausgewählte Bank zu überweisen, wenn keine andere Weisung erteilt worden ist. Denkbar wäre, ein entsprechendes Einverständnis bereits bei Stellenantritt einzuholen.
«Wichtig ist, dass die Versicherten auch die Wahl haben, ob ihr Geld zur Auffangeinrichtung geht», sagt OAK-Präsident Pierre Triponez. Den Entscheid fällt die OAK voraussichtlich Ende Oktober. «Ohne der Kommission vorgreifen zu wollen: Einen sofortigen Systemwechsel wird es nicht geben», sagt Triponez. Es bestehe «keine Absicht, die bestehenden FZ-Konten nun alle der Auffangeinrichtung zu übertragen, bloss weil in der Vergangenheit formell nicht alles korrekt abgelaufen ist«. Und wenn sich etwas ändere, gebe es sicher eine angemessene Übergangsfrist.
Versicherte sind in der Pflicht
Auf diese Linie ist auch das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) eingeschwenkt, nachdem es früher ein stillschweigendes Einverständnis der Versicherten als genügend für den Transfer von Pensionskassenguthaben zu Banken erachtet hatte.
Selbst die Auffangeinrichtung sieht mit der heutigen Praxis kein Problem. «Der EFK-Bericht ist von der Realität bereits überholt worden», meint Doris Bianchi, Präsidentin der Auffangeinrichtung und hauptberuflich Sekretärin für Altersfragen beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Negativzins und Anlagenotstand machten das Geschäft mit der Freizügigkeit nämlich so unattraktiv, dass der Auffangeinrichtung derzeit ohnehin viel mehr Geld zufliesse als früher.
Über 1 Milliarde Franken im Jahr 2015
Allein im vergangenen Jahr waren es über 1 Milliarde Franken. Heute verwaltet die Auffangeinrichtung fast eine Million Konten mit insgesamt 8,5 Milliarden Franken Guthaben. Zwei Drittel davon sind kontaktlos.
Eine einfache Weisung im Sinne des OAK-Vorschlags würde Bianchi darum genügen.
Viel wichtiger für sie: «Die Arbeitgeber müssen ihre Informationspflicht besser wahrnehmen, als dies heute vielfach der Fall ist – und die Versicherten müssen sich aktiver um ihre Altersguthaben kümmern, dann gibt es auch weniger kontaktlose Konten.»