Die Währungsturbulenzen in der Türkei machen besonders den Schwellenländern zu schaffen. Seit dem dramatischen Kursverfall der Lira in der vergangen Woche, fiel der südafrikanische Rand um mehr als 10 Prozent, aber auch der indische Rupie und der russische Rubel erreichten Tiefststände.
Einer der grössten Verlierer der jüngsten Entwicklungen ist der Euro. Wegen der potenziellen Gefahr für europäische Banken ist der Euro auf seinen tiefsten Stand in zwölf Monaten gefallen. Zu den Banken der Eurozone mit dem grössten Geschäft in der Türkei gehören die spanische BBVA, die italienische UniCredit und die französische BNP Paribas. Die Europäische Zentralbank zeigte sich darüber tief besorgt, seither hat der Euro stark an Wert verloren.
Am Montagmorgen kostete ein Euro kurzzeitig 1,13 US-Dollar – so wenig wie zuletzt im Juli 2017. Gegenüber dem Franken war der Euro mit 1,12 so billig wie seit einem Jahr nicht mehr. Allerdings hält UBS-Währungsexperte Thomas Flury die Türkei-Krise nur für einen «Trigger» für den aktuellen Kursrückgang, vielmehr hätten sich über die vergangenen Monate viele Unsicherheitsfaktoren angehäuft. «Die Türkei hat das Fass zum Überlaufen gebracht», sagt Flury.
Türkei verstärkt Verunsicherung zusätzlich
Die Währungskrise in der Türkei ist jedoch nicht der einzige Grund zur Sorge: «Die beschleunigte Abwertung der Lira, welche die Stabilität des europäischen Bankenwesens gefährden könnte, ebenso wie ein potenzieller Handelskrieg haben die Verunsicherung auf den Finanzmärkten zusätzlich verstärkt.»
In den nächsten Monaten müsse sich zeigen, wie stabil sich das Wirtschaftswachstum in Europa entwickelt. Derzeit läuft es noch gut und auch die Bedingungen in der Eurozone seien günstig. Währungsexperten waren in jüngster Zeit davon ausgegangen, dass die europäische Währung sich stark entwickeln würde. Dafür spricht die gute Konjunktur in Europa. Das hat sich nun gewandelt: «Der Euro ist unter den G10-Währungen, das heisst der führenden Industrienationen, derzeit der grösste Verlierer», sagt Thomas Flury.
Global gesehen müssen die Währungen einiger Schwellenländer die grössten Verluste verkraften, neben der Lira vor allem der südafrikanische Rand. Doch die Gefahr eines Flächenbrands sei niedrig. «Die Türkei-Krise erinnert an die Tequila-Krise Mitte der neunziger Jahre als die mexikanische Währung wie aus dem Nichts abstürzte und eine Wirtschaftskrise in Mexiko auslöste. Der Vorteil heute ist, dass das globale Finanzsystem seither viel stabiler geworden ist.»
Auch das Pfund leidet derzeit. Gegenüber dem US-Dollar und dem Franken hat die britische Währung vor einigen Tagen einen Tiefstand erreicht. Der Grund ist vor allem die grosse Unsicherheit auf den bevorstehenden Brexit, vor allem die steigende Gefahr, dass ein Abkommen zwischen Grossbritannien und der EU derzeit noch in weiter Ferne ist. Einzig im Vergleich zum Euro hat die britische Währung sogar leicht zugelegt, was aber am schwachen Eurokurs liegt.
Gewinner sind die sicheren Währungshäfen
Seit vergangener Woche decken Investoren sich verstärkt mit als sicher geltenden Währungen wie dem Schweizer Franken, dem US-Dollar und dem japanischen Yen ein. Alle drei Währungen haben aufgewertet. Der Dollar-Index etwa stieg um 0,2 Prozent auf den höchsten Stand seit über einem Jahr, denn die Ansteckungsgefahr nach dem dramatischen Kursverfall der Lira trieb Anleger vor allem in den Dollar.
Der Franken hat insbesondere gegenüber dem Euro an Stärke gewonnen. Nachdem vor einigen Monaten noch die Angst umging, die Schweizer Währung könnte wieder die magische Marke von 1,20 überschreiten, kostet ein Euro zur Zeit 1,13 Franken. Nach Einschätzung des Währungsexperten deutet die Aufwertung des Franken noch nicht auf eine Intervention der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hin. Doch ab 1,10 könne das wieder ein Thema werden.
«Derzeit erwarten wir allerdings keine massive Frankenaufwertung. Von der aktuellen Krise wird eher der Dollar profitieren, denn in der Schweiz sind die Zinsen zu niedrig, als dass sich Anleger massenweise in den Franken flüchten», sagt Thomas Flury.
Massnahmen in der Türkei
Unterdessen hat die türkische Zentralbank Massnahmen angekündigt, um den Lira-Verfall zu stoppen und die Finanzstabilität sicherzustellen. Sie erhöhte die Marktliquidität, um die Versorgung der Geschäftsbanken zu sichern. Der türkischen Währung half dies aber nur kurzzeitig. Damit sie sich dauerhaft erholt, bedarf es wohl noch tiefgreifenderer Massnahmen.
Seit Jahresbeginn hat die Lira mehr als 40 Prozent an Wert verloren. Allein am Freitag hatte sie 18 Prozent eingebüsst und war auf ein Rekordtief von 7,24 zum Dollar gestürzt. Es war der größte Verlust an einem einzigen Tag seit 2001. Dazu geführt hatte vor allem die Furcht vor einer Einmischung von Präsident Erdogan in die Wirtschaft und die Währungspolitik. In der Folge könnte die Notenbank ihre Unabhängigkeit verlieren.