Die Frage musste ja kommen: Wie kann es sein, dass einer Value-Investing-Regeln predigt – und jetzt Aktien von Amazon kauft? Denn immerhin wird der E-Commerce-Gigant momentan zum 20fachen des Buchwerts und zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 80 gehandelt. Also sehr, sehr teuer.

Dennoch gab Warren Buffett letzte Woche bekannt, dass sich sein Konglomerat Berkshire Hathaway an Amazon beteiligt habe.

Am Samstag fand dann im Omaha die alljährige Generalversammlung von Berkshire statt – wo ein Aktionär prompt die entsprechende Frage einreichte: Weshalb Amazon? Und weshalb jetzt?

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«Be fearful, when others are greedy»

Der Deal widerspreche doch auch Buffetts berühmter Faustregel, dass man an der Börse ängstlich sein muss, wenn die anderen gierig sind, und gierig, wenn alle anderen Angst haben.

Buffetts Antwort: Value Investing bedeute nicht nur, nach unterbewerteten Aktien zu suchen. Ein Value sei mehr als bloss tiefer Buchwert oder gute Price-Earning-Ratio.

Alles ist Value Investing

Grundsätzlich sei doch jede Anlage immer auch Value Investing: «Du gibst jetzt etwas Geld ab, um später mehr zu bekommen», sagte Buffett vor rund 20’000 Aktionären in seiner Heimatstadt. «Und du berechnest die Wahrscheinlichkeiten, ob und wann du dieses Geld kriegen kannst.»So kalkuliere man, wenn man eine Bank zu 70 Prozent ihres Buchwerts kauft. So rechne man aber auch, wenn man Amazon-Aktien zu einem sehr hohen Preis erwirbt.

Aesops Fabel von den Vögeln

Es gehe bei solchen Entscheiden nie nur um die aktuellen Umsätze, nie nur um die momentane Rentabilität oder um die Vermögenswerte oder die Nettoverschuldung. Sondern all dies fliesse zusammen in eine Gesamtberechnung, ob man eher ein Unternehmen A oder B oder C erwerben soll.

Als Berkshire Hathaway nun bei Jeff Bezos’ Konzern einstieg, habe man dies als Value-Anleger getan, so Buffett.

Zur Erläuterung zitierte der Investment-Guru Aesops 2500 Jahre alt Weisheit, dass ein Vogel in der Hand doppelt so viel wert ist wie zwei Vögel im Gebüsch. Bei Amazon habe sich für ihn die Frage gestellt, ob vielleicht vier, fünf oder sechs Vögel im Busch seien – und wie lange es dauern dürfte, dorthin zu gelangen.

«Unter all den Gleichungen, die man im Wirtschaftsstudium lernt, ist das Gleichnis von Aesop das Grundlegende», so Buffett. «Und dein Erfolg als Investor hängt davon ab, wie gut du jenes Gebüsch erkennst, wie weit entfernt es ist und was im schlimmsten Fall passiert, wenn doch nur ein Vogel drin hockt.»

Jeff Bezos wurde übersehen

Buffett, der im August 89 Jahre alt wird, betonte, dass nicht er selber den Amazon-Entscheid getätigt habe: Es waren zwei seiner Investmentmanager, Todd Combs und Ted Weschler. Aber die verstünden etwas von der Sache.

Man habe eben langsam ein gewisses Alter, sekundierte sein Vizepräsident Charlie Munger (95), und so vertraue man auch auf Jüngere. Es sei ihm egal, dass er Amazon nicht früher erkannt habe: «Der Typ» (also Jeff Bezos) sei ein Wunderknabe («kind of a miracle worker»): «Das ist sehr speziell» – so etwas dürfe man auch mal übersehen; das könne er sich verzeihen.

Aber er fühle sich immer noch als Trottel, so Munger weiter, dass er damals Google nicht klarer erkannt habe (im Original: «I feel like a horse’s as for not identifying Google better»). Und Warren Buffett sehe das auch so.

Buffett: «Yeah. Er sagt, dass wir das verbockt haben.»

Sie hätten seit Jahren schon mit Google gearbeitet und dabei ja selber gesehen, wie gut Google-Werbung funktioniere, bohrte Munger weiter in der eigenen Wunde. «Und wir hockten bloss da und lutschten am Daumen.»

Sie hätten sich danach geschämt, so Munger. Sie wollten Busse tun. «Vielleicht war Apple (wo Berkshire Hathaway 2016 dann in grossem Stil einstieg) dafür ein Sühneopfer.»

(rap)

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