Verkommt die Ende 2015 begonnene Straffung der Geldpolitik durch die Federal Reserve zum Strohfeuer? Schon am Mittwoch dürfte die US-Notenbank den Leitzins senken, erwarten viele Experten. Obwohl die amerikanische Wirtschaft gut läuft, glauben die Fed-Banker an eine globale Konjunkturabkühlung, unter anderem in Folge des Handelsstreits der USA mit China.
Unter den reichen Ländern waren die Zinserhöhungen in den USA ohnehin eine Ausnahme. Die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank of Japan und auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) haben die Zinsen seit der Finanzkrise von 2007 und 2008 nicht mehr erhöht. Eine lockere Geldpolitik ist zum Dauerzustand geworden. Und zuletzt haben die Notenbanken trotz rekordtiefen Zinsen laut über weitere Senkungen und andere Massnahmen zur Erhöhung der Inflation nachgedacht.
Wie tief die Welt in den Niedrigzinsen feststeckt, zeigt ein Vergleich der Leitzinsen der wichtigsten Notenbanken seit 2006 (siehe Grafik unten). Von einem Erreichen des Inflationsziels oder dem gewünschten Wirtschaftswachstum sind die meisten reichen Länder dennoch weit entfernt.
Jede Zinserhöhung droht den wirtschaftlichen Aufschwung abzuwürgen und könnte für einen Crash an der Börse sorgen. Doch die niedrigen Zinsen heizen die globale Verschuldung weiter an, die sich schon heute auf einem Rekordniveau befindet. Zugleich steigt die Gefahr von Aktien- und Immobilienblasen.
Hohe Immobilienpreise in Europa
Tatsächlich warnte ein Expertengremium unter der Leitung von EZB-Chef Mario Draghi kürzlich vor einer Überhitzung des Immobilienmarktes in Europa. Der Preisanstieg bei Wohnimmobilien zeige in vielen Ländern Anzeichen einer Überbewertung.
Zudem hätten sich in manchen Ländern die Haushalte zur Finanzierung ihrer Immobilienkäufe zu stark verschuldet. Bei einem Abschwung könnten deshalb Banken und andere Immobilienfinanzierer in Schwierigkeiten kommen.
Jahrelange Stagnation in Japan
Was es bedeutet, nicht mehr aus den Niedrigzinsen rauszukommen, zeigt ein Blick nach Japan. Der Leitzins der Bank of Japan pendelt seit 1995 dauerhaft um die Nulllinie. Die Wirtschaft des Landes stagniert, das Bruttonationaleinkommen pro Kopf lag 2018 unter dem Stand des Jahres 1995.
Dies auch deshalb, weil das billige Geld in Niedrigzinsphasen nicht produktiv verwendet wird. Schuldenfinanzierte Immobilienkäufe und Aktienrückkäufe werden für Firmen attraktiver als Investitionen zur Steigerung der Produktivität, wie Ökonom Thomas Mayer in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» schrieb.
Von diesen Aussichten lassen sich die Notenbanken indes nicht abschrecken. Die EZB rechnet frühestens in der zweiten Hälfte 2020 mit einer Zinswende. Im aktuellen Umfeld ist aber auch eine noch viel längere Tiefzinsphase denkbar. Denn wie schwierig die Wende ist, zeigt der abgebrochene Versuch der Fed in den USA.
Der Franken wird stärker, eine Zinserhöhung scheint auf Jahre hinaus undenkbar. Der Schweiz drohen japanische Zustände. Was das bedeutet, lesen Sie hier.