Häufig läuft das so ab: Die Lieferanten werden nach Einkaufsvolumen erfasst, die nötige Preisreduktion wird definiert, die zuständige Person beim Lieferanten eruiert, und die Verhandlung um günstigere Preise beginnt. Das kann gut gehen, doch oft ist damit ein Kampf programmiert und es bleibt Frust zurück: auf der Seite des Lieferanten, der sich schlecht behandelt fühlt (und dies dem Kunden in irgendeiner Form heimzahlt). Beim Unternehmer, der seine Forderungen nicht durchsetzen konnte (was die Zusammenarbeit ebenfalls trübt). Oder gar auf beiden Seiten, weil man im Streit und ohne Lösung auseinanderging.

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So machen Sie es besser

Verhandlungen sind komplexe Vorgänge, Überraschungen tauchen immer wieder auf. Die gute Nachricht: Es gibt Prinzipien und Mechanismen, mit denen man Verhandlungen so steuern kann, dass das Ergebnis für beide Seiten von Vorteil ist – die viel zitierten Win-win-Verhandlungen, in denen die Parteien gemeinsam kreative Lösungen entwickeln, die alle Beteiligten zufriedenstellen.

Damit dies funktioniert, ist eine gute Vorbereitung ausschlaggebend. Klären Sie insbesondere die folgenden Punkte:

1) Persönlichkeitsebene: Die Vorbereitung beginnt immer bei mir selber

Wenn Sie zu zweit am Tisch sitzen, tragen Sie selber 50 Prozent zur Verhandlungsdynamik bei. Deshalb sollten Sie sich bewusst machen, wie Sie funktionieren: 

  • Neigen Sie eher zu einem dominanten Auftreten?
    Falls ja, überlegen Sie, wie Sie sich zurücknehmen können, welche Formulierungen Sie besser vermeiden, damit sich Ihr Gegenüber nicht überfahren fühlt.
  • Neigen Sie eher zu einem nachgebenden Auftreten? 
    Falls ja, stellen Sie sich darauf ein, dass Sie einem dominanten Verhandlungspartner begegnen könnten, und suchen Sie nach Möglichkeiten, um gleiche Augenhöhe herzustellen.

Dies zu wissen, ist wichtig, weil das Zusammenspiel von Ihrer Persönlichkeit und der des Gegenübers entscheidet, ob es zu einer Win-win-Verhandlung kommen wird. Überlegen Sie sich deshalb auch, was für eine Persönlichkeit auf der anderen Seite des Tisches sitzen wird und welche Art Dynamik in der Verhandlung entstehen könnte:

  • Werden wir versuchen, gemeinsam eine für beide Seiten gute Lösung zu finden?
    => Win-Win – beide sollen gewinnen.
  • Werde ich versuchen, den Verhandlungspartner unter Druck zu setzen?
    => Win-Lose – nur ich soll gewinnen.
  • Wird der Verhandlungspartner mich unter Druck zu setzen versuchen?
    => Lose-Win – nur der andere soll gewinnen.
  • Kann die Verhandlung so verlaufen, dass beide Seiten verlieren?
    => Lose-Lose

Ziel ist, sich auf diese Szenarien geistig einzustellen. Denn auch wenn Sie mit besten Win-Win-Absichten in eine Verhandlung einsteigen, kann es passieren, dass Sie reflexartig eine Forderung Ihres Gegenübers gleich mit einer Gegenforderung zu kontern versuchen. Und damit ungewollt eine Win-Lose-Dynamik einleiten.

2) Werteebene: Mit welcher Haltung begegnen wir uns gegenseitig?

Jeder Teilnehmer bringt seine Persönlichkeit und seine eigenen Werte mit in die Verhandlung. Diese Werte bestimmen den Umgang mit dem Gegenüber und haben einen starken Einfluss auf die Verhandlungsdynamik. Günstig für den Verlauf sind Werte wie:

  • Partnerschaft (statt Kampf)
  • Nachhaltigkeit (statt einmalige einseitige Optimierung)
  • Gleiche Augenhöhe (statt Ausübung von Macht)
  • Kreativität (statt Durchdrücken von vorgefassten Zielen)

Es gibt noch weitere günstige Werte, etwa Fairness oder Respekt. Schreiben Sie zwei, drei Werte, die Ihnen wichtig sind, nieder, um so Ihre innere Einstellung auf Win-Win zu programmieren. Das hilft Ihnen auch, in der Verhandlungseröffnung die gemeinsame Wertebasis zu klären.

3) Beziehungsebene: Wie steht es um die Beziehung zum Verhandlungspartner?

Basis einer Win-win-Verhandlung ist eine funktionierende Beziehung zwischen den Beteiligten. Ohne diese sind Lösungen, die beiden Seiten Vorteile verschaffen, wenig wahrscheinlich. Denn um gemeinsam kreative Lösungen zu entwickeln, ist Vertrauen nötig. Und dieses Vertrauen ist kaum vorhanden, wenn man aufeinander wütend ist oder sich schlecht behandelt fühlt. Stellen Sie sich in der Vorbereitung deshalb folgende Frage: 

  • Gibt es ein Beziehungsproblem, das von früheren Kontakten herrührt?

Wenn Sie auch nur den leisesten Verdacht haben, dass die Beziehung belastet ist, sollten Sie diesen Punkt vor der eigentlichen Verhandlung oder zumindest zum Verhandlungsstart klären. Entweder indem Sie 

  • mit einer Ich-Botschaft den Grund Ihrer Verärgerung ansprechen: «Ich fühle mich schlecht behandelt, weil …»
  • oder mit einer ernstgemeinten Entschuldigung um Verzeihung für Ihren Fehltritt bitten: «Mir ist nachträglich bewusst geworden, dass mein Ton am Telefon sehr brüsk war. Bitte entschuldigen Sie – das hatte gar nichts mit Ihnen zu tun.»

Die Erfahrung zeigt, dass die Klärung eines Beziehungsproblems gleich am Anfang die Verhandlung überraschend schnell zu einem erfolgreichen Abschluss bringt. Auch wenn das manchmal einiges an Überwindung und Stolz kosten kann. Oder etwas Mut erfordert.

4) Sachebene: abstrakte Interessen statt konkrete Verhandlungsziele 

Und jetzt zurück zum Wunsch nach tieferen Lieferantenpreisen: Wenn wir in einer Verhandlung stecken oder unter Druck geraten, versuchen wir vielfach, uns auszumalen, wie sich das Problem konkret lösen lässt. Naheliegende Lösung: Sie als Kunde möchten dem Lieferanten einen Preisnachlass aufzwingen. Damit könnten Sie Ihr eigenes Problem zwar lösen, würden aber beim Lieferanten in vielen Fällen einen Schaden verursachen. Nicht verwunderlich also, dass vom Lieferanten Widerstand zu erwarten ist.

Bei einem solchen Vorgehen stellen Sie als Kunde eine konkrete Forderung auf: «Ihr Produkt ist zu teuer, ich brauche 10 Prozent Rabatt.» Und der Lieferant kontert mit einem Gegenangebot: «Was – 10 Prozent? Völlig unmöglich! Mehr als 2,5 liegen nicht drin.» Und schon geht das Feilschen los. Wenns gut läuft, finden Sie und Ihr Lieferant sich irgendwo auf dem Zahlenstrahl zwischen 2,5 und 10 Prozent. Und wenns schlecht läuft, trennen Sie sich im Streit und ohne Lösung.

Um Ihre Verhandlung sicher zum Erfolg zu führen, treten Sie in Ihrer Vorbereitung einen Schritt zurück und nehmen Sie eine übergeordnete Perspektive ein:

  • Warum fordern Sie einen Preisnachlass? Zum Beispiel, um die Liquidität der Firma sicherzustellen?
  • Fragen Sie sich auch, was die hintergründigen Interessen Ihres Lieferanten sein könnten – Marge halten, Umsatz-Budget erreichen oder Ähnliches.

Mit dem Wissen um die dahinterliegenden abstrakten Interessen beider Seiten sind plötzlich ganz neue Lösungen denkbar. Die Frage lautet nun: Wie können Sie die Liquidität Ihrer Firma sicherstellen, und wie kann der Lieferant gleichzeitig seine Marge halten? Einige Möglichkeiten:

  • Zahlungsziele verändern
  • Gegengeschäfte, zum Beispiel Material gegen Ihre Produkte
  • Gemeinsame Kosteneinsparung durch Prozessoptimierung in Bestellung, Logistik etc. – zum Beispiel Selbstabholung statt Lieferung
  • Produktkosten senken durch Einsatz von anderen Materialien desselben Lieferanten

Wenn Sie sich auf diese Weise vorbereiten und die Verhandlung dann auch so führen, erreichen Sie in Summe voraussichtlich mehr als den angestrebten Preisnachlass.

Wichtig: Das funktioniert nur, wenn auch die Werte- und die Beziehungsebene auf Win-Win getrimmt sind und positiv zusammenspielen. Sonst laufen Sie Gefahr, auf Ihre Forderung zurückzufallen, mit Druck Ihr vorgefasstes Ziel (10 Prozent Rabatt) zu verfolgen und so in eine Win-Lose-Dynamik zu geraten.

5) Im Vorfeld: Agenda verhandeln

Vor allem bei grösseren Verhandlungen und wenn es um viel geht, empfiehlt sich, schon im Rahmen der Vorbereitung in einer Vor-Verhandlung gemeinsam die Agenda festzulegen. Folgende Punkte sollten Sie mit Ihrem Verhandlungspartner klären:

  • Welches sind die Verhandlungsthemen?
  • Welches Ziel soll in der Verhandlung verfolgt werden?
  • Wer wird an der Verhandlung teilnehmen? Mit welchen Kompetenzen?
  • Welches Zeitfenster steht für die Verhandlung zur Verfügung?
  • Wo soll die Verhandlung stattfinden? (bei Ihnen, beim Verhandlungspartner, an einem neutralen Ort, per Videokonferenz)
  • Welche Infrastruktur wird benötigt? (Technik, Räume, Flipchart, IT-Tools etc.)

Bei kleineren Verhandlungen werden Sie solche Fragen kurz am Telefon klären. Oder sind sie von vornherein klar? Gehen Sie die Liste trotzdem kurz durch, um zu prüfen, ob Sie in Ihrer Vorbereitung nichts vergessen haben.

6) Plan B: Was, wenn die Verhandlung scheitert? 

Eine Verhandlung ist eine Reise mit ungewissem Ausgang. Was also, wenn sie scheitert? Setzen Sie sich damit bereits in der Vorbereitung auseinander. 

  • Fragen Sie sich: Wie kann ich mein Interesse – die Liquidität meiner Firma sicherstellen –befriedigen, wenn wir an diesem Verhandlungstisch keine Lösung erreichen? 

Ein Plan B kann zum Beispiel vorsehen, einen Kredit aufzunehmen, einen anderen Lieferanten zu suchen oder eine Produktverbesserung mit vereinfachten Bestandteilen zu planen. Solche Alternativen im Hinterkopf zu haben, hilft Ihnen einerseits, das Risiko einer gescheiterten Verhandlung für sich und Ihre Situation besser einzuschätzen – nicht selten ist das Scheitern weniger schlimm als angenommen. Und anderseits ermöglicht es, die Qualität eines verhandelten Ergebnisses objektiv zu bewerten. Denn jedes Verhandlungsergebnis muss besser sein als Ihr Plan B. Alles andere wäre unlogisch.

Die gute Vorbereitung ist Voraussetzung für eine gute Verhandlung

Wer ungenügend vorbereitet ist, darf sich nicht wundern, wenn das Verhandlungsergebnis nicht seinen Interessen entspricht. Planen Sie deshalb im Terminkalender nicht nur das Zeitfenster für die Verhandlung, sondern auch eines für die Vorbereitung fest ein – als unverhandelbaren Termin.

Und wenn Sie überraschend und unvorbereitet in eine Verhandlung geraten? Dann können Sie sich die nötige Zeit für die Vorbereitung selber verschaffen, zum Beispiel so: 

  • «Können wir das morgen besprechen?»
  • «Kann ich Sie in einer Stunde zurückrufen?»
  • «Ich möchte mir zu dem Thema noch einige Gedanken machen. Ich melde mich morgen.»

Tipp: Vielen hilft es, die Vorbereitung schriftlich zu machen. Hier finden Sie eine Checkliste, die Sie dabei unterstützt.

Auf dieser Basis: viel Erfolg mit Ihren weiteren Verhandlungen, in denen Sie mit Ihrem Verhandlungspartner Mehrwert für beide Seiten erarbeiten.

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Dominique Strebel, Beobachter-Chefredaktor
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