Am vergangenen Freitag, 20. März, präsentierte der Bundesrat eine massive Soforthilfe über 42 Milliarden Franken. Das war ein positives Signal. Ein Teil des Pakets dient dazu, Unternehmer und Selbständige zu stützen – die ersten wirtschaftlichen Opfer der aktuellen Gesundheitskrise. Die Presse hob das hervor und streute die schönen Pressemitteilungen des Bundes.
Aber wie so oft steckt der Teufel leider im Detail. Um zu verstehen, was da gespielt wird, muss man das Kleingedruckte lesen.
Cédric Portier ist Anwalt und diplomierter Steuerexperte, Adeline Nguyen ist Anwältin in der Kanzlei Gros & Waltenspühl, Lausanne.
Zur Erinnerung: Derzeit schliesst Artikel 31 des Gesetzes zur Arbeitslosenversicherung aus, dass Leistungen an Unternehmer gehen, die Angestellte ihrer AG oder GmbH sind – auch bei Teilarbeitslosigkeit. Das betrifft die überwiegende Mehrheit der Schweizer KMU.
Dieser Zustand hat in den letzten Tagen eine wichtige Debatte ausgelöst. Insbesondere sammelte eine Petition mehr als 98'000 (!) Unterschriften in nur wenigen Tagen – 93'000 in der Deutschschweiz, 1'400 in der Romandie und 1'700 im Tessin. Dies deutet an, dass das Bewusstsein für die Problematik auf der deutschsprachigen Seite ausgeprägter ist.
Eine erste Reaktion erfolgte
Der Bundesrat konnte sich in dieser unhaltbaren Lage für das Schweizer Wirtschaftsgefüge nicht taub stellen. Daher beschloss er am Freitag das Projekt einer «COVID-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung». Es sieht vor, dass der entsprechende Artikels 31 während der Pandemiekrise ausser Kraft gesetzt wird. Damit können Unternehmer vorübergehend von der Arbeitslosenversicherung profitieren.
Das ist von entscheidender Bedeutung in der aktuellen Lage, wo zahllose KMU – Läden, Coiffeursalons et cetera – gezwungen sind zu schliessen, oder wo ihre Umsätze durch den Sofortstopp der Gesamtwirtschaft einbrechen.
Bis hierhin könnte man also denken, der Bundesrat habe die Nöte der Unternehmer gehört.
«Der Entwurf sieht also vor, dass ein Unternehmer schlechter entschädigt wird als ein ungelernter Arbeiter in seinem Betrieb.»
Deutlich weniger klar ist etwas anderes, und das wurde auch nicht herausgehoben: Derselbe Verordnungsentwurf besagt in Artikel 5, dass für die KMU-Unternehmer ein Pauschaleinkommen von 3'320 Franken eingesetzt wird – bei einer Vollzeitstelle. Ein solcher Betrag deckt in einigen Gegenden kaum die Miete einer Familienwohnung.
Unverständlich, gar systematisch falsch
Wenn man bedenkt, dass der Schweizer Durchschnittslohn bei rund 6'500 Franken liegt (Medianwert), sieht der Entwurf also vor, dass ein Unternehmer schlechter entschädigt wird als ein ungelernter Arbeiter in seinem Betrieb. Und wenn man bedenkt, dass er das ganze Gewicht und die Verantwortung trägt, dass er oft zwischen 50 und 60 Stunden pro Woche arbeitet – dann wirkt ein «pauschal» versicherter Lohn von maximal 3'320 fast lächerlich.
Zur Erinnerung: Unternehmer, die in ihrer AG oder GmbH angestellt sind, zahlen Beiträge in die Arbeitslosenversicherung auf ihr ganzes Gehalt – also nicht auf eine «Pauschale» von 3'320 Franken beschränkt...
In diesem Rahmen ist die Obergrenze unverständlich und sogar systematisch falsch. Es ist wie wenn man von einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (den Unternehmern) verlangte, genau die gleichen Versicherungsprämien zu bezahlen wie alle anderen, aber im Schadensfall wären alleine für sie die Leistungen nur auf einen (lächerlichen) Bruchteil dessen beschränkt, was andere Angestellte in derselben Lage erhalten.
- Der Entwurf des Liquiditäts-Pakets: So kommen Zehntausende KMU jetzt zu Geld
Oder würde es jemand wagen, von allen Arbeitnehmern zu fordern, freundlicherweise auf ihr gesamtes Gehalt in die Arbeitslosenkasse einzuzahlen – aber falls sie arbeitslos werden, bekommen sie nur eine Pauschale von 3'300 Franken? Man stelle sich den Aufschrei vor. Und dieser Aufschrei wäre absolut legitim.
Es zeigt sich also, dass der Entwurf – mit diesem Artikel 5 – sein Ziel im Kontext der aussergewöhnlichen Pandemie verfehlt. Es ist geradezu ein Affront gegenüber den Hunderttausenden Schweizer KMU-Unternehmern und ihren Familien, ganz zu schweigen von den 98'000 Personen, welche die Petition dazu unterschrieben haben.
Sie haben andere Sorgen
Aber es ist eine sichere Wette, dass die Unternehmer momentan kaum die Zeit finden, sich gegen diese verborgene Obergrenze zu wehren: Zu sehr sind sie damit beschäftigt, ums Überleben ihrer Firma zu kämpfen. Es ist daher wichtig, dass die Entrepreneurs der Schweiz aufwachen und darauf hinarbeiten, dass der Bundesrat in den kommenden Tagen Anpassungen vornimmt. Dies würde erheblich beitragen zur Sicherung der KMU – dieser berühmten wirtschaftlichen Grundlage, die in politischen Reden aller Art so gerühmt wird.
In der ersten Version dieses Beitrags stand, die Arbeitslosenkasse zahle nur 80 Prozent aus, also maximal 2'665 Franken. So war es in der Verordnung und in den Formularen der ALV dargestellt. Das Seco hat inzwischen ein internes Missverständnis eingeräumt.
- Dieser Text erschien zuerst in «Le Temps» unter dem Titel: «Crise et indemnité chômage: le Conseil fédéral fixe un plafond de 2600 francs», 24. März 2020.
«Man stelle sich den Aufschrei vor. Und dieser Aufschrei wäre völlig legitim.»