Einst eine blühende Auto-Metropole, heute eine heruntergekommene Stadt ohne Perspektive: Detroit hat am Donnerstagabend Konkurs angemeldet. Es ist der grösste Bankrott einer Stadt in der US-Geschichte. Die Schulden belaufen sich auf schätzungsweise 18,5 Milliarden Dollar.
Der zuletzt eingesetzte Sonderfinanzverwalter Kevyn Orr spricht von einem jahrzehntelangen Missmanagement in der Stadt. Die Folge: Immer weniger Jobs, viele Menschen sind weggezogen und die Einnahmen damit noch stärker gesunken. Diesen Teufelskreis will die Stadt nun durchbrechen, indem sie Gläubigerschutz beantragt.
Detroit ist trotz der Krise noch immer die größte Stadt im Bundesstaat Michigan - Heimat von General Motors (GM). Auch Ford ist im Umland angesiedelt. Rick Snyder, der Gouverneur von Michigan, erklärte, es habe für Detroit angesichts der drückenden Schuldenlast keine vernünftige Alternative mehr gegeben. «Detroit kann einfach nicht genug Geld einnehmen, um die momentanen Verpflichtungen zu decken.» Ohne den Insolvenzantrag würde die Situationen allen Voraussagen zufolge nur noch schlechter werden, ergänzte der Republikaner.
Hoffen auf Kapitel 9
Die Ausgaben für den Betrieb der städtischen Dienste haben seit 2008 die Einnahmen jährlich um rund 100 Millionen Dollar überstiegen. Zudem zehren Zinszahlungen fast 20 Prozent des Haushalts auf. Darüber hinaus belasten milliardenschwere Pensionsverpflichtungen die Stadtkasse. Sonderverwalter Orr sagte, er hoffe, Detroit komme durch die Massnahmen wieder auf die Beine und könne im Sommer oder Herbst 2014 aus der Insolvenz herauskommen. Er ist ein auf Insolvenzen spezialisierter Anwalt. Orr wurde im März berufen und hat derzeit wohl einen der schwierigsten Jobs im Lande.
Helfen soll nun das Kapitel 9 des US-Insolvenzrechts (Chapter 9). Dieses erlaube eine Neustrukturierung der Verbindlichkeiten, erläuterte NordLB-Analyst Bernd Krampen. «Danach ist der Weg zum Aussetzen von Zahlungen an einzelne Gläubiger und das Aufbrechen von Verträgen möglich, was den Abwärtstrend stoppen soll.»
Auf die zahlreichen Gläubiger der Stadt dürften dementsprechend nun riesige Verluste zukommen. Zähe Verhandlungen mit dem Sonderverwalter sowie langjährige Gerichtsverfahren werden erwartet. Die Zinsen für Detroit-Anleihen sind bereits am Donnerstag auf neue Höchststände geschossen.
Gewalt statt Soul-Hits
Der Abstieg kommt nicht überraschend; er begann bereits vor Jahrzehnten. In den 1950er-Jahren zählte die Stadt 1,8 Millionen Einwohner, war die fünftgrößte Metropole des Landes. Soul-Musik aus Motown war ebenso legendär wie die Basketball-Champions der Detroit Pistons. Heute sieht es aber ganz anders aus.
Die Stadt hat nur noch 700'000 Einwohner, darunter viel mehr Rentner als Menschen, die einen Job haben, und insgesamt lebt ein Drittel in Armut. Viele Strassenlaternen funktionieren nicht mehr, die Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Krankenhäusern sind oft kaputt und müssen dringend repariert werden, wofür aber kein Geld vorhanden ist. Gewalt ist an der Tagesordnung. Die Mordrate ist so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr.
Keine Hilfe aus Washington in Sicht
Nicht nur die europäischen Staaten sind überschuldet, auch in den USA sind Pleiten keine Seltenheit mehr. New York, Cleveland und Philadelphia taumelten bereits Richtung Bankrott, Detroit ist aber die erste Grossstadt, die tatsächlich einen Insolvenzantrag stellt. Zuletzt meldeten sich schon die kleineren kalifornischen Städte Stockton und San Bernardino zahlungsunfähig.
Auf ein Eingreifen der Obama-Regierung kann Detroit nicht zählen. Ein Sprecher des Präsidialamtes sagte, Barack Obama beobachte die Situation sehr genau. Anders als in der Finanzkrise machte der US-Präsident dieses Mal aber keine Versprechen. 2008 hatte er umgehend Steuergelder in Milliarden-Höhe zugesagt, um GM und Chrysler aufzufangen - und so Jobs zu retten.
(tno/reuters)