Jiko Bukken - eine Anwesen, in dem es zu einem Zwischenfall gekommen ist, nennen die Japaner die Orte. Es gibt unzählige dieser «stigmatisierten Immobilien». Und einige davon haben derart tragische Berühmtheit erlangt, dass die Wohnungen nie wieder vermietet werden können.
Man sagt, dass die Geister der Toten in den Wohnungen weiterleben und die Nachmieter gerne mal in der Nacht aufsuchen. Im Internet kursieren zahlreiche Geschichten über ungewöhnliche Vorkommnisse in den sogenannten Jiko Bukken. Ob man daran glaubt, ist eine andere Frage.
Der Schutz für den Mieter
Grundsätzlich hat der Vermieter die gesetzliche Pflicht, den ersten, direkten Nachmieter einer stigmatisierten Immobilie über Vorfälle des Vormieters zu informieren, selbst wenn die Geschichte schon über Jahre zurückliegt. Meistens jedoch kommt der interessierte Mieter der Sache selbst auf die Spur. Denn stigmatisierte Immobilien wirken auf den ersten Blick attraktiv, viel zu attraktiv: beste Lage, komplett oder teilweise renoviert sowie ein spottbilliger Miet- oder Verkaufspreis.
Oft sind dies Indizien, die nahelegen, beim Makler besser noch einmal nachzufragen. Es kommt vor, dass dieser einem die ganze Wahrheit verschweigt. So gibt es ein paar Schlupflöcher. Beispielsweise kann ein Makler die stigmatisierte Wohnung für kurze Zeit fiktiv an einen Angestellten oder eine Vertrauensperson vermieten. Mit dieser Methode fällt die Pflicht weg, den darauf folgenden Nachmieter über den ungewöhnlichen Todesfall zu unterrichten.
Die Karte des Grauens
Gewöhnlich aber sind die Makler ehrlich. Denn das Risiko aufzufliegen, ist zu gross, gerade im Zeitalter des Internets. Die Jiko Bukken sind ein Dauerbrenner in den Foren. Ausserdem informieren Websites wie Oshima Teru inzwischen peinlich genau über ungewöhnliche Todesfälle in Wohnungen und Häusern.
Mit Feuerzeichen werden die stigmatisierten Immobilien auf Google Map gekennzeichnet. Anhand von Zeitungsartikeln oder Polizeiberichten wird Buch geführt. Über 10’000 Jiko Bukken sind notiert. Gerade die Zahl der älteren Menschen, die einsam in ihren Wohnungen sterben und deren Tod während Monaten unbemerkt bleibt, hat durch die Überalterung der Gesellschaft zugenommen (Asienspiegel berichtete).
Der Boom der Jiko Bukken
Und trotz allem gibt es immer mehr Menschen in Tokio, die bereit sind, in solche stigmatisierte Wohnungen zu ziehen, wie die Mainichi Shimbun berichtet. Ja, gar ein kleiner Boom sei zu verspüren. Die Jiko Bukken haben den Vorteil, dass sie meistens nicht nur neu renoviert, sondern auch zur Hälfte des gewöhnlichen Preises zu haben sind. Ausserdem erlässt der Makler dem Mieter nicht selten die teuren Zusatzgebühren, die bei einem Einzug anfallen (Asienspiegel berichtete).
Gerade jüngere Menschen, die ohnehin nicht über ein grosses Einkommen verfügen, würden sich nicht mehr so stark um die womöglich belastete Vergangenheit einer Wohnung kümmern. Auch die Reinigungsmethoden seien heute viel besser. Unangenehme Gerüche oder Spuren seien im Vergleich zu früher einfacher zu beseitigen, zitiert die Mainichi Shimbun einen Makler.
Es mangelt an billigen Wohnungen
Am Ende sind es jedoch die wirtschaftlichen Gründe, die jemanden zu einem Einzug bewegen. Es mangelt an billigen Wohnungen, gerade in Tokio. Die Hauptstadt ist einige der wenigen Orte in Japan, wo die Bevölkerungszahl noch wächst und die Mieten entsprechend teuer sind (Asienspiegel berichtete). Und trotz anhaltender wirtschaftlicher Stagnation ist die Zahl der billigen, staatlichen Sozialwohnungen in der Hauptstadt seit über zehn Jahren konstant geblieben. So werden für die Niedrigverdiener die Wohnungen der Toten zur interessanten Option.
Dieser Artikel erschien zuerst auf asienspiegel.ch - News aus Japan, China und Korea.