Die EZB muss die Zinsen laut Bundesbankchef Joachim Nagel im Kampf gegen die Inflation hochschrauben und dabei Dämpfer für die Wirtschaft in Kauf nehmen. «Das gefällt natürlich nicht jedem», betonte er am Dienstagabend beim Wirtschaftstag des Wirtschaftsrats der CDU in Berlin.
Doch auch wenn die Anhebung der Zinsen auf ein ausreichend restriktiv wirkendes Niveau unpopuläre Entscheidungen erfordere, müsse die EZB ihrem Mandat gerecht werden: Das mittelfristige Ziel der Währungshüter bei der Inflation laute 2 Prozent: «Nicht mehr und nicht weniger. Und wir wollen dieses Ziel zeitnah erreichen.»
«Dieses Gift muss raus»
Auch Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sprach sich auf der Konferenz für weitere Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) aus, um die höchste Inflation seit Jahrzehnten unter Kontrolle zu bekommen: «Dieses Gift muss raus.» Die hohe Teuerung habe massive Auswirkungen auf die Verbraucher. Mindestens 30 Prozent der Kunden von Banken könnten ihre normalen Ausgaben nicht mehr aus ihrem Einkommen bestreiten, sondern müssten an die Ersparnisse ran.
Nach Ansicht Nagels leistet Preisstabilität einen wichtigen Beitrag für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft und für wirtschaftliche Teilhabe. «Wohlstand für alle ist mit hoher Inflation nicht zu erreichen», betonte der Notenbankchef.
Die Gesamtinflationsrate sei zwar rückläufig, die Kerninflation aber weiterhin hartnäckig hoch: Im April stieg die Teuerungsrate ohne die Kosten für Energie und Nahrungsmittel im Euroraum um 5,6 Prozent. Das war nur minimal weniger als im März, als diese sogenannte Kernrate ein Allzeithoch erreicht hatte: «Es zeigt, dass die Teuerungswelle mittlerweile breit angelegt ist», sagte Nagel. Er werde sich persönlich dafür einsetzen, die Inflation in den Griff zu bekommen.
«Lassen Sie uns das Biest Inflation gemeinsam erlegen»
Es seien definitiv noch mehrere Zinsschritte erforderlich, um ein ausreichend restriktiv wirkendes Niveau zu erreichen: «Unser Job ist noch nicht erledigt», sagte der Bundesbankchef. Die Kunst der Geldpolitik bestehe jetzt darin, beharrlicher als die Inflation zu sein. Auch Unternehmen und Gewerkschaften müssten im Kampf gegen die Teuerung mitziehen: «Lassen Sie uns das Biest Inflation gemeinsam erlegen.»
Die EZB-Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde hatten Anfang Mai die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Der an den Finanzmärkten massgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, liegt seither bei 3,25 Prozent. Es war bereits die siebte Zinsanhebung in Folge.
Nummer acht und neun könnten im Sommer folgen: Von Reuters befragte Volkswirte rechnen für die Zinstreffen der EZB im Juni und Juli mit weiteren kleinen Anhebungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte.
(reuters/gku)
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"Um es mit Churchill zu sagen: Wenn du keine Macht mehr hast, dann rede so, als ob du sie hättest, und manchmal funktioniert das eine gewisse Zeit. Das ist, was sie tun
werden. Sie werden reden. Dieses Reden kann auf kurze Sicht durchaus effektiv sein. Aber am Ende ist es wie im letzten Kapitel des Zauberers von Oz, wenn sie entdecken, dass der mächtige Zauberer nur ein winzig kleiner Mann hinter einem Vorhang ist, der eine Orgel spielt. Die Zentralbanken werden reden, um die Tatsache zu
kaschieren, dass sie keine Macht mehr haben. Das funktioniert, bis es nicht mehr funktioniert."
Nehmen wir also das Drehbuch ab 1945: Etwa zwanzig Jahre lang hatten wir damals ein hohes nominales Wachstum. Was ist daran schlecht?
"Für den Durchschnittsmenschen kann finanzielle Repression ganz gut aussehen. Sagen wir, Ihr Lohn steigt
um 5%, und Ihr Hypothekarzins liegt bei 3%. Für die Mehrheit der Bevölkerung ist das keine schlechte Welt, selbst wenn ihre Löhne nur im Einklang mit der Inflation steigen. Den Preis bezahlen die Sparer."
Russell Napier: «Wir treten in eine Zeit der finanziellen Repression ein»
INTERVIEW
Mark Dittli
14.07.2021, 05.19 Uhr