Die Folgen der Corona-Krise sind schwerwiegend für die Wirtschaft. Auch hierzulande kommt es im ersten Halbjahr 2020 zu einer Rezession – praktisch über alle Branchen hinweg. Das erwarten die Ökonomen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (Kof). Für die zweite Jahreshälfte hoffen sie auf eine Erholung.
Doch das volle Ausmass sei schwer vorherzusehen, vieles hänge davon ab, wie schnell sich die Pandemie eindämmen lässt. Die Kof-Forscher legen daher drei Szenarien für die Schweizer Wirtschaft vor.
«Eine Rezession in der Schweiz und in Europa ist sehr wahrscheinlich geworden», so eröffnete Kof-Direktor Jan-Egbert Sturm die Medienkonferenz, die per Livestream übertragen wurde.
Negativ-Szenario: Die Krise dauert
Lasse sich die Krise nicht bis im Sommer eindämmen, breche die Schweizer Wirtschaft in diesem Jahr auf minus 2,3 Prozent ein. In diesem Negativ-Szenario zeigen die Kof-Ökonomen, was passiert, wenn die derzeitige Krise sich bis in die zweite Jahreshälfte zieht. Die Rezession würde andauern, das Wachstum wäre auch im zweiten Halbjahr negativ.
In den ersten beiden Quartalen 2020 sei mit starken Rückgängen beim privaten Konsum zu rechnen. Zudem würden die Unternehmen weniger investieren, und die Schul- und Grenzschliessungen beeinträchtigen die Produktion. Zum Vergleich: Im letzten Jahr wuchs die Schweizer Wirtschaft um 0,9 Prozent, im Jahr zuvor 2,8 Prozent.
Basisszenario: Rezession im ersten Halbjahr
Im sogenannten Basisszenario geht das Wirtschaftswachstum im ersten und zweiten Quartal 2020 zurück. In diesem Jahr würde das BIP nur noch um 0,3 Prozent wachsen. Die Kof hält diese Entwicklung derzeit für am wahrscheinlichsten: Danach wird die Pandemie «das wirtschaftliche Leben in den nächsten zwölf Monaten deutlich beeinträchtigen».
Betroffen sind alle Branchen mit Ausnahme des Gesundheitswesens. Die nun ergriffenen Massnahmen des Bundes sollten jedoch bereits ab dem Sommer die Folgen für die Wirtschaft verringern.
Mildes Szenario: Krise ab Sommer ausgestanden
Dass ein milderes Szenario eintritt, hält Jan-Egbert Sturm nach den Entwicklungen der letzten Tage mit Grenz- und Schulschliessungen für kaum mehr möglich. Dann müsste die Krise nämlich in der zweiten Jahreshälfte praktisch ausgestanden sein. Die Wirtschaftsleistung würde um 1,2 Prozent wachsen.
«Im milden Szenario klingen die ökonomischen Beeinträchtigungen durch die Coronavirus-Pandemie rasch ab», schreibt die Kof. Die Folgen der Pandemie wären nur im zweiten Quartal 2020, danach könnte die ausgefallene Produktion grösstenteils nachgeholt werden. Dass die Schweiz so glimpflich davon kommt, hält Kof-Direktor Sturm praktisch für unmöglich, schliesslich stürzt die Pandemie die gesamte Weltwirtschaft in die Krise.
Wirtschaftspolitische Massnahmen
Es sei unglaublich wichtig, nun Liquiditätsprobleme zu vermeiden – nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa und der Welt, so Sturm. Die Politik könne Unternehmen etwa mit Kurzarbeitszahlungen helfen. Auch mit Steuerstundungen und staatlichen Garantien für Firmenkredite könne der Bund die Wirtschaft unterstützen. Der Spielraum in der Schweiz sei aufgrund des ausgeglichenen Bundeshaushalts gross, um gut durch die Krise zu kommen.
Die trüben Konjunkturaussichten decken sich mit den Erwartungen von Ökonomen weltweit.
Die Business School Chicago Booth befragt regelmässig 50 Ökonomen von führenden internationalen Universitäten. Laut der aktuellsten Umfrage rechnen rund zwei Drittel mit einer Rezession, selbst wenn das Coronavirus nicht so tödlich ist, wie befürchtet.
Was dafür den grössten Ausschlag gibt, ist nicht ganz klar. Mit Sorge sieht das «European IGM Economic Experts Panel» die Folgen des geringeren Konsums: ob diese jedoch schwerwiegender sind als die Auswirkungen durch unterbrochene Lieferketten und krankheitsbedingte Arbeitsausfälle beantwortet nur ein Drittel der Experten mit «ja».
In Deutschland erwarten Experten eine realen BIP-Rückgang von 1 Prozent in diesem Jahr. Denn die Corona-Pandemie trübt die Konjunkturaussichten nicht für das erste, sondern auch für das zweite Quartal. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) verzeichnet im März in seiner Umfrage einen Rückgang um fast 60 Punkte – das gab es seit 1991 nicht mehr. Ebenso dramatisch sinken die Konjunkturerwartungen für die Eurozone – vergleichbar mit der Finanzkrise 2008.
Etwas über die Hälfte der vom Ifo-Institut und der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» befragten 100 Wissenschaftler wollen, dass die Körperschaftssteuer auf 10 Prozent gesenkt werde. Derzeit zahlen Firmen in Deutschland 15 Prozent, plus 15 Prozent auf ihre Gewinne. Die gesamte Steuerbelastung sänke von 30 auf 25 Prozent.
Dies sei nach Ansicht der meisten Ökonomen notwendig, damit Deutschland im internationalen Steuerwettbewerb mithalten könne und als Wirtschaftsstandort attraktiver werde. Derweil wird auf globaler Ebene versucht, den Steuerwettbewerb zu begrenzen. Die OECD legte 2019 einen Vorschlag vor, der unter anderem eine Mindeststeuer auf Firmengewinne vorsieht. Nur ein Drittel der Befragten hält den OECD-Vorschlag für geeignet, um den Steuerwettbewerb zu begrenzen.