Der weltweite Automarkt rutscht immer mehr in die Krise. Auch in Europa wird der Rückgang mehr und mehr spürbar, wie aktuelle Zahlen zeigen: Danach wurden im EU-Raum im ersten Halbjahr 7,8 Prozent weniger Autos verkauft als im gleichen Vorjahres-Zeitraum.
In der Schweiz dümpeln die Neuzulassungen von Autos ebenfalls. Dabei brechen insbesondere den deutschen Automobil-Herstellern die verlässlichen Märkte weg – auch ausserhalb von Europa.
Für Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen, liegen die Gründe auf der Hand:
Die vom US-Präsidenten Donald Trump ausgelösten Zollkriege und Sanktionen treiben den Weltautomarkt immer tiefer in die Krise. Im Jahr 2019 werde die Nachfrage nach Neuwagen weltweit um mehr als vier Millionen Stück schrumpfen. So erheblich war der Rückgang selbst in der Weltfinanzkrise 2008 und 2009 nicht. «Trump schafft mit seinem Verhalten eine grosse Unsicherheit», sagt Dudenhöffer.
Die Politik von Donald Trump wirke sich aber auch auf den europäischen Automarkt aus, sagt Dudenhöffer. «Trump macht alles kaputt. Und das war erst der Anfang. Jetzt beginnt er auch an der Währung zu schrauben. Das wird noch weitreichendere Konsequenzen haben.»
Vom weltweiten Einbruch am stärksten betroffen ist der chinesische Markt. Alleine in den ersten vier Monaten sanken die Autoverkäufe dort um 15 Prozent. Das Problem: Im Riesenland erzielten die Autobauer in den letzten 20 Jahren einen Grossteil ihrer Gewinne, so Dudenhöffer.
Doch nun gingen in allen grossen Märkten die Verkäufe in den ersten Monaten des Jahres zurück; nicht nur China, sondern auch Frankreich, Italien oder England. «Lediglich der sehr volatile Markt Brasilien konnte einen Zuwachs verzeichen», sagt Dudenhöffer. Ein bemerkenswerter Fall: Der Automarkt Türkei brach in den letzten Monaten um unglaubliche 47 Prozent ein.
Strafzölle auch für Europa
In Europa konnten sich die Autoverkäufe lediglich in den neuen EU-Ländern steigern – um rund vier Prozent. In Westeuropa brachen sie hingegen ein. Und vorerst ist kein Ende in Sicht. «Die englische Konjunktur kann sich weiter verschlechtern, die italienische Finanzkrise ist da. Unberücksichtigt sind ebenfalls mögliche Strafzölle für Autoimporte aus Europa nach USA», sagt Dudenhöffer.
Im laufenden Jahr steigt nicht nur der konjunkturelle Druck auf die Automobilindustrie weiter an, sondern auch der politische: «Dadurch wird ihr massiv Ertrag und Liquidität entzogen», sagt Dudenhöffer.
Die Autobauer seien gezwungen, in Europa nach 2021 im grösseren Umfang Elektroautos zu vermarkten. «Damit vermeiden sie hohe Strafzahlungen.» Bei den derzeitigen Preisen werde man die notwendigen Verkaufsvolumen jedoch kaum erreichen, meint der Automobilexperte.
Er rechnet vor: Ein Einsteigermodell – etwa der elektrische Opel Corsa – koste rund 30'000 Euro. Also sehr viel. Deshalb müssten die Autobauer «quersubventionieren», so Dudenhöffer. Was ihre Ertragslage wiederum verschärfe.
Die Schweiz wie auch Deutschland sind gesättigte Märkte. Denn sie hatten in den letzten Jahren eine gute Autokonjunktur: «Die älteren Fahrzeuge wurden ersetzt», sagt Dudenhöffer. Die Nachfrageschwäche in der EU wie in der Schweiz liessen sich durch diese Sättigung erklären, meint der Experte.
In der Schweiz lagen die Neuzulassungen 2010 noch bei 329'000 Fahrzeugen, 2017 waren 353'000 Fahrzeuge gewesen. Im vergangenen Jahr waren es hingegen nur 341'000 Zulassungen. Dieses und nächstes Jahr werden die Verkäufe weiter schwinden, bevor sie allenfalls wieder steigen, sagt Dudenhöffer.
Der Rückgang sei aber auch auf einen Kalendereffekt zurückzuführen, hiess es vom europäischen Branchenverband Acea am Mittwoch. Im Juni habe es durchschnittlich nur 19 Verkaufstage gegeben, vergangenes Jahr waren es zwei Tage mehr gewesen. Allerdings: Im gesamten ersten Halbjahr gab es ein spürbares Minus von 3,1 Prozent.
«Die grossen Hersteller, allen voran Volkswagen, schlagen sich bei vielen Modellen mit Zertifizierungen herum und können deshalb nicht liefern», sagt Dudenhöffer.
Allgemein herrsche Verunsicherung beim Autokauf, berichtet Dudenhöffer. Man überlege sich, mit welchen Antrieben – also Diesel oder Elektro – man in Zukunft richtig liegen werde, sagt der Experte.
Kaufinteressierte würden jetzt erstmals abwarten, ob noch mehr Elektroautomodelle auf den Markt kommen und sich wohl erst dann entscheiden. «Vielleicht will jemand einen E-Porsche kaufen, den Taycan. Er kommt aber erst nächstes Jahr auf den Markt. Die Folge: Man man fährt dann halt noch ein wenig länger mit seinem 911 durch die Strassen», sagt Dudenhöffer.
Die Schweiz sei ein Markt für Premium-Autos, sagt Dudenhöffer. Vor allem die deutschen Automobilhersteller hätten jetzt eine ganze Reihe von neuen Modellen angekündigt. Viele davon mit Elektroantrieb. Darauf würden die Käufer nun warten, sagt Dudenhöffer. «Die Lieferzeiten in der Premium-Klasse sind zudem länger.»