Der Euro hat am Dienstag die Talfahrt beschleunigt. Die Gemeinschaftswährung fiel gegenüber dem Franken nicht nur unter die Parität, sondern auch auf den klar tiefsten Stand seit sieben Jahren.
Zum Franken notierte der Euro am Nachmittag noch bei 0,9940 Franken, nachdem er zuvor bis auf ein Tagestief von 0,9924 Franken abgerutscht war. Am Morgen hatte die europäische Währung noch über 1,00 Franken gekostet. Schwächer war der Euro bisher lediglich Mitte Januar 2015 gewesen, als die Schweizerische Nationalbank (SNB) völlig überraschend den Euro-Mindestkurs aufgehoben und die Finanzmärkte damit in Turbulenzen gebracht hatte.
Zwei-Jahrzehnte-Tiefstand zum Dollar
Zum US-Dollar sackte der Euro derweil sogar auf den tiefsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten ab. Am Nachmittag war ein Euro nur noch 1,0245 Dollar wert und damit so billig wie zuletzt am Jahresende 2002.
Der Dollar verteuerte sich auch zum Franken markant: Der «Greenback» überschritt mit 0,9703 Franken wieder die Marke von 0,97 Franken. Das ist ein ganzer Rappen mehr als noch am Morgen (0,9600 Franken).
Wieder gibt es nervöse Kurssprünge beim Verhältnis von Euro zu Franken. Ein Grund zur Beunruhigung? Eher nicht. Wir erklärten bereits im Februar, warum. ABO
Mehrere Belastungsfaktoren für Euro
Der Euro wird schon seit einiger Zeit von der teils sehr trüben Stimmung an den internationalen Finanzmärkten belastet. Im Gegensatz zum Euro profitiert der Dollar, da er von vielen Anlegern nicht nur als sicher, sondern aufgrund der Grösse des US-Finanzmarkts auch als sehr liquide Anlageform geschätzt wird. Am Dienstag verlor deshalb nicht nur der Euro fast zwei US-Cent an Wert. Auch viele andere Währungen gaben zum «Greenback» erheblich nach.
Ein zentrales Argument für den schwachen Euro lautet, dass Europa wesentlich stärker von den Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine betroffen sei als die USA. Als entscheidender Grund gilt die hohe Abhängigkeit vieler europäischer Länder von russischen Rohstoffen wie Erdöl oder Erdgas. Am Dienstag stieg der europäische Erdgaspreis aus Angst vor zunehmenden Engpässen auf ein Viermonatshoch.
Die EZB hält sich stärker zurück als andere Notenbanken
Ein weiterer Grund für die Euro-Schwäche ist, dass viele Notenbanken wesentlich entschlossener auf die hohe Inflation reagieren als die EZB. Während etwa die US-Notenbank Fed ihren Leitzins schon mehrfach und deutlich angehoben hat, hat sich die EZB bisher nur zu einer Ankündigung durchringen können. Mitte Juli soll ihr Leitzins erstmals seit elf Jahren steigen, allerdings wohl nur um 0,25 Prozentpunkte.
Andere Zentralbanken, wie jüngst die eigentlich eher vorsichtige Notenbank Australiens, heben ihre Zinsen viel stärker an. Sogar die SNB emanzipierte sich vom Kurs der EZB und erhöhte jüngst die Leitzinsen überraschend deutlich um 0,5 Prozentpunkte.