Derzeit herrscht in den USA Ruhe. Die Behörden arbeiten wieder normal, nachdem Hunderttausende Mitarbeiter zwischen dem 22. Dezember und 25. Januar in Zwangsurlaub geschickt worden waren oder ohne Bezahlung weiterarbeiten mussten. Dann einigten sich US-Präsident Donald Trump und der Kongress auf ein Moratorium, das jedoch nur bis zum 15. Februar gilt. Dann droht der Albtraum von Neuem loszugehen. Eine Verständigung zwischen Demokraten und Republikanern in der Nacht zum Dienstag kann diese Gefahr abgewendet haben. Allerdings fehlt noch die Unterschrift Trumps unter dem Deal.

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Hintergrund des Ganzen ist der Streit um den Haushalt. Nur wenn Kongress und Präsident sich einigen, darf der Staat neue Schulden machen. Ohne immer neue Schulden ist der amerikanische Staat jedoch nicht überlebensfähig, und gerade in jüngster Zeit hat sich die Unterfinanzierung dramatisch ausgeweitet. Deutlich wird das an einer Zahl: eine Billion Dollar.

Thema im kommenden Wahlkampf

Neue Schuldscheine in diesem Umfang müssen die USA in diesem Jahr ausgeben. Dies folgt aus den Ende Januar bekannt gewordenen Emissionsplänen des Finanzministeriums. Mit Durchbrechen dieser Schallgrenze droht der amerikanische Schuldenberg jedoch allmählich ausser Kontrolle zu geraten und wird auch international zur Gefahr. Zudem dürfte er Thema im nächsten Präsidentschaftswahlkampf werden.

Die US-Schulden wachsen bereits seit der Finanzkrise immer schneller. «Seither wurden private Verbindlichkeiten massiv in öffentliche überführt», sagt Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). Tatsächlich ging die Verschuldung von Firmen und Privatpersonen zunächst jahrelang zurück, während der Staat dies ausglich, indem er seinerseits mehr Schulden machte.

Doch inzwischen kam ein weiterer Faktor hinzu. Die Steuerreform von US-Präsident Trump, die im Wesentlichen Firmen und Konzerne erheblich entlastete, liess das Loch in der Staatskasse nochmals deutlich wachsen. Allein im vergangenen Fiskaljahr, das am 30. September 2018 endete, gingen die Steuereinnahmen daher um 205 Milliarden Dollar zurück – und das in einer Phase des absoluten Booms.

Immer neue Rekordmarken

Das widerlegt zunächst all jene, die stets behaupteten, derartige Steuersenkungen würden sich letztlich selbst finanzieren. Zum anderen führten die Steuersenkungen auch nicht zu dem, was damit angeblich bezweckt wurde, höhere Investitionen nämlich. Stattdessen haben die meisten börsennotierten Firmen die Aktienrückkäufe drastisch ausgeweitet, um auf diese Weise die Aktienkurse in die Höhe zu treiben.

Natürlich stehen die USA nicht allein mit einem wachsenden Schuldenberg. Auch in Japan und vielen europäischen Staaten erreichen die Verbindlichkeiten der Staaten immer neue Rekordmarken. «Zwischen 2007 und 2018 ist der Kreditbedarf der OECD-Regierungen drastisch gestiegen, und die Summe der gehandelten Schuldenpapiere hat sich in der OECD insgesamt verdoppelt», schreibt die OECD in einer aktuellen Analyse der Situation.

Dennoch stechen die USA auch in diesem Vergleich hervor. Dies zeigt die Verteilung der Schulden der OECD-Länder. 2007 lasteten 39 Prozent des Gesamtschuldenbestands dieser Staaten auf Japan, 20 Prozent auf den USA, neun Prozent auf Italien. Inzwischen haben sich die Verhältnisse umgekehrt. 35 Prozent der Schulden haben nun die USA, Japans Anteil ist auf 26 Prozent zurückgegangen, jener Italiens auf sechs Prozent.

WASHINGTON, DC - JANUARY 19: U.S. President Donald Trump stops to speak to reporters as he prepared to board Marine One on the South Lawn of the White House on January 19, 2019 in Washington, DC. Trump is traveling to Dover Air Force Base in Delaware to visit with families four Americans who were killed in an explosion Wednesday in Syria. (Photo by Pete Marovich/Getty Images)

Donald Trump: Er drückt bislang nicht auf die Ausgabenbremse.

Quelle: 2019 Getty Images

Noch keine unmittelbare Gefahr

Selbst der US-Notenbankchef Jerome Powell warnte bereits im Herbst, dass sich „der amerikanische Haushalt auf einem nicht-nachhaltigen Weg befindet“ und das Problem angegangen werden müsse. Jörn Quitzau, Volkswirt bei der Berenberg Bank, geht sogar noch einen Schritt weiter, für ihn sind die USA, neben Italien, wegen der Schulden ein aktueller Krisenkandidat. Italien habe schon für entsprechende Schlagzeilen gesorgt. Für die USA sei dies zu erwarten.

Gleichwohl sieht er derzeit keine unmittelbare Gefahr einer Staatsschuldenkrise, die von den USA ausgeht. Denn üblicherweise gehe dem zunächst eine Währungs- und Bankenkrise voran. Diese könnten aber beispielsweise dann ausgelöst werden, wenn sich die Konjunktur merklich abkühlt, wenn es vielleicht sogar zu einer Rezession kommt. Dann würden zahlreiche Banken Probleme bekommen, und gleichzeitig würde die Arbeitslosigkeit steigen.

  Das wiederum hätte Folgen für den US-Haushalt. «Wenn die Arbeitslosigkeit um einen Prozentpunkt steigt, erhöht dies das US-Haushaltsdefizit um etwa zwei Prozentpunkte», sagt Reinhard Panse, Chefanlagestratege bei HQ Trust. Derzeit liegt die Arbeitslosenrate bei rund vier Prozent, das Defizit beträgt im laufenden Fiskaljahr voraussichtlich 4,6 Prozent.

Sollte die Arbeitslosigkeit wieder auf bis zu zehn Prozent steigen wie während der Finanzkrise, würde sich das Defizit folglich auf weit über 15 Prozent ausweiten. Spätestens dann würden wohl auch die Finanzmärkte nervös.

Für Vöpel gefährdet der amerikanische Schuldenexzess langfristig auch die Stellung des US-Dollars in der Welt. Trotz der hohen Verbindlichkeiten des Staates ist dessen Stellung als Reservewährung bis heute unangefochten. Doch das müsse nicht so bleiben, sagt Vöpel. «Für die nächsten 50 Jahre möchte niemand unterschreiben, dass die Rolle so dominant bleibt.»

Kritik an Politik der USA wächst

Doch immerhin gibt es in den USA selbst inzwischen auch einige, die diesen Weg in den Schuldenstaat nicht mehr länger mitmachen wollen. So begründete Howard Schultz, Gründer und Chef von Starbucks, seine Überlegung, als Präsident zu kandidieren, auch mit dem Schuldenproblem.

Weder die regierenden Republikaner unter Präsident Trump noch die Demokraten seien offensichtlich fähig, die Schulden in den Griff zu bekommen, so Schultz. Es sei daher ein Beispiel für deren „rücksichtsloses Versagen gegenüber ihrer verfassungsmässigen Verantwortlichkeit.“

Die Chancen von Schultz bei den Präsidentschaftswahlen dürften letztlich auch davon abhängen, ob der gigantische Schuldenberg bis zu den Wahlen in anderthalb Jahren zu rutschen beginnt und die öffentliche Aufmerksamkeit dafür bis dahin zunimmt. Bei der vorübergehenden Schliessung der Regierungsbehörden jedenfalls stand das Thema Staatsschulden bisher noch nicht im Mittelpunkt.

Dieser Artikel erschien zuerst in «Die Welt» unter dem folgenden Titel: Durch diese Billion wird Amerika zur Gefahr für die Welt.