Die derzeitige Krise zeigt, wie abhängig Volkswirtschaften von globalen Lieferketten sind und damit auch anfällig für Schocks wie die Corona-Pandemie. Der Ruf nach Entflechtung wird lauter, die Produktion müsse wieder nach Hause geholt werden. Vor einer solchen Re-Nationalisierung warnt nun Avenir Suisse, denn die Schweiz sei einer der grössten Profiteure der Globalisierung.
«Eine Re-Nationalisierung von Wertschöpfungsketten ist keine geeignete Strategie zur erfolgreichen Bewältigung der aktuellen und keine Vorsorge für künftige Pandemien – Viren werden nicht durch Güter übertragen», heisst es in der Studie. Als «Globalisierungsweltmeisterin» und grösste Nutzniesserin des EU-Binnenmarkts hätte die Schweiz wirtschaftlich viel zu verlieren.
Denn eine «Rückabwicklung» der Wertschöpfungsketten würde zu spürbaren Einkommensverlusten führen und den Wohlstand des Landes gefährden. Statt die Selbstversorgung etwa mit Nahrungsmitteln zu fördern, empfehlen die Experten des Think-Tanks, müsse die Versorgung weiter diversifiziert werden, und zwar durch Freihandelsabkommen. Aus der Corona-Krise ziehen sie folgende Lehren für die Zukunft:
- Gegen Exportrestriktionen, für Multilateralismus einsetzen
- Abschaffung der Schweizer Importzölle
- Keine Investitionskontrollen
- Versorgungssicherheit durch diversere Lieferketten
- Gesundheitsabkommen mit der EU
- Ja zur Personenfreizügigkeit
- Bessere Lagerung lebensnotwendiger Güter zur Gesundheits- und Lebensmittelversorgung
- «Autarkie klingt zwar gut, ist aber schädlich». Das Interview mit Handelsexperte Simon Evenett hier.
- Die Corona-Krise verstärkt Protektionismus – auch in Europa. Mehr hier.
- «Die Pandemie verstärkt den Nationalismus, auch in der Schweiz». Das Interview mit Wirtschaftsprofessor Thomas Cottier hier.
Seit Ausbruch der Pandemie führen viele Länder Exportbeschränkungen und weitere Handelshemmnisse ein. Gerade die kleine, weltoffene Schweiz sollte sich dafür einsetzen, den Handel offen zu halten. Laut Avenir Suisse werden 96 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung über den Aussenhandel erwirtschaftet. Entscheidend dafür sind vor allem die Beziehungen zur Europäischen Union: Fast eine Million Arbeitskräfte profitiert vom Handel mit den EU-Ländern – das sind 20 Prozent aller Beschäftigten.
Seit 2002, dem Inkrafttreten der Bilateralen I, sei die Aussenhandelsverflechtung um über 15 Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt profitierten rund 1,9 Millionen Beschäftigte direkt vom Zugang zu ausländischen Märkten – indirekt sogar jeder zweite Beschäftigte.
(mlo)