Die deutschen Exporte sind im April in einem beispiellosen Mass eingebrochen. Der Wert der Warenausfuhren sank gegenüber dem Vorjahresmonat um 31 Prozent auf 75,7 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte.
Das war der grösste Monats-Rückgang seit Beginn der Aussenhandelsstatistik im Jahr 1950. Verglichen mit März 2020 verringerten sich die Exporte um 24 Prozent.
Das Minus war auch deutlicher als von den Experten erwartet. Ein von der Nachrichtenagentur «Reuters» befragtes Ökonomen-Sample hatte – im Schnitt – nur mit einem Minus von 15,6 Prozent gerechnet.
Erst China, jetzt Europa
Geschlossene Grenzen in Europa, globale Handels- und Reisebeschränkungen sowie enorme Störungen in der See- und Luftfracht führten zu einem drastischen Rückgang der Ausfuhren. Die Importe verringerten sich um knapp 22 Prozent auf 72,2 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahresmonat.
Je nach Handelspartner waren die Exporte unterschiedlich stark beeinträchtigt: Die Ausfuhren nach China gingen im April 2020 noch um 12,6 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro zurück – hier hatte der Einbruch bereits zuvor stattgefunden.Die Exporte in die im April besonders Corona-betroffenen Länder Frankreich (minus 48,3 Prozent), Italien (minus 40,1 Prozent)und Vereinigte Staaten (minus 35,8 Prozent) brachen weitaus drastischer ein.
«Vom Exportboom der vergangenen zehn Jahre ist wenig übrig geblieben.»
Alexander Krüger, Bankhaus Lampe
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet mit einem Rückgang der Exporte im Gesamtjahr um mindestens 15 Prozent. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erwartet ein Minus von 15 Prozent bei der Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen.
Nach Einschätzung der Welthandelsorganisation (WTO) könnte der Welthandel in diesem Jahr um 13 bis 32 Prozent zurückgehen, je nach Verlauf der Corona-Pandemie. Schon 2019 hatte der Welthandel mit Waren stagniert, belastet von internationalen Handelskonflikten und der Abkühlung der globalen Konjunktur.
«Neue Normalität»
«Dass die deutschen Aussenhandelsdaten derart schlecht ausgefallen sind, überrascht angesichts des weitgehenden Corona-Lockdowns in Deutschland und Europa im April nicht», sagt Jörg Zeuner, Chefökonom der Union Investment. «Allerdings wird sich der internationale Handel nach und nach erholen, weil sich immer mehr Wirtschaftsräume rund um den Globus auf den Weg in die neue Normalität begeben. Das zeigt sich zum Beispiel an den Ausfuhren nach China, die im April vergleichsweise wenig nachgaben.»
Für die Exportnation Deutschland werde es dennoch anspruchsvoll, so Zeuner: Die Globalisierung hat ihren Höhepunkt überschritten, und die weltweite Nachfrage nach deutschen Investitionsgütern wird der globalen Gesamtnachfrage hinterherhinken. Trotzdem erweise sich der Standort Deutschland in der Krise als vergleichsweise widerstandsfähig.
«Jetzt ist der Aussenhandel dran»
«Ein Negativrekord jagt den nächsten, jetzt ist der Aussenhandel dran», so Thomas Kitzel von der VP Bank: «Der massive Fall der Exporte legt bestes Zeugnis dafür ab, dass auch die deutschen Handelspartner im Lockdown-Modus waren. Der beträchtliche Importrückgang spiegelt hingegen im Wesentlichen den Teilstillstand der deutschen Produktion wider.» In der Coronakrise könne für einmal keine Rede sein von der deutschen Exportstärke: «Entsprechend deutlich werden die Effekte für das Bruttoinlandsprodukt sein.»
Hinter dem scharfen Fall der Exporte und Importe stünden aber auch logistische Schwierigkeiten, so Kitzel weiter: Der Frachtverkehr auf den Weltmeeren unterliege seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ja ebenfalls strengen Restriktionen.
«Und schon wieder Schnappatmung», meint Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe: «Vom Exportboom der vergangenen zehn Jahre ist wenig übrig geblieben. Wegen der jüngsten Lockdown-Lockerungen und Grenzöffnungen dürfte eine Erholung aber bereits eingesetzt haben.» Für den Lampe-Chefökonomen ist allerdings klar: «Der Weg aus dem Coronatal ist vor allem für den Aussenhandel lang, steinig und vor allem unsicher.»
(«Reuters», AWP – rap)