Halbiertes Wirtschaftswachstum, niedrigste Inflation seit anderthalb Jahren: Schwache Konjunkturdaten aus der Euro-Zone machen eine baldige Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) wahrscheinlicher. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) legte zwischen April und Juni nur noch um 0,2 Prozent zum Vorquartal zu, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch in einer Schnellschätzung mitteilte.
Zu Jahresbeginn war das Plus mit 0,4 Prozent noch doppelt so hoch. Details nannten die Statistiker nicht, doch dürften die maue Weltkonjunktur, Handelskonflikte und Risiken wie der Brexit sowohl die Exporte als auch die Investitionen belastet haben.
Mario Draghi dürfte Massnahmen beschliessen
Die Inflationsrate in der Euro-Zone entfernt sich zugleich von der EZB-Zielmarke von zwei Prozent. Im Juli sank sie mit 1,1 Prozent auf den tiefsten Stand seit Februar 2018. Im Juni hatte der Wert noch bei 1,3 Prozent gelegen.
Damit dürfte EZB um ihren scheidenden Chef Mario Draghi im September ihre Geldpolitik weiter lockern. Dabei werden mehrere Optionen geprüft - von der Wiederaufnahme von Anleihekäufen bis hin zu höheren Strafzinsen für Geld, das Banken bei der EZB parkieren. Das soll billiges Geld in die Wirtschaft drücken, um Investitionen und Konsum anzuregen, was wiederum Wachstum und Inflation anschieben soll.
«Nur noch im Schneckentempo»
«Der Schwung ist weg: Für die europäische Wirtschaft geht es bis auf weiteres nur noch im Schneckentempo aufwärts», kommentierte KfW-Ökonomin Stephanie Schoenwald das nachlassende Wachstum. «Die globale Abkühlung ist in vollem Gange; die handels- und geopolitischen Konflikte brodeln weiter.»
Neue geldpolitische Impulse allein dürften daran aber nicht viel ändern. Commerzbank-Ökonom Marco Wagner geht davon aus, dass sich die Inflation nicht zuletzt wegen der mauen Konjunktur vorerst nicht der Zwei-Prozent-Marke annähern wird. «Aus diesen Gründen dürfte die EZB im September die geldpolitischen Schleusen öffnen», ist er sich sicher.
Spanien hängt Deutschland und Frankreich ab
Während die nach Deutschland zweitgrösste Euro-Volkswirtschaft Frankreich im Frühjahrsquartal ebenfalls um 0,2 Prozent wuchs, ging es in Spanien um 0,5 Prozent bergauf. In Italien stagnierte die Wirtschaft hingegen. Daten für Deutschland werden erst am 14. August vorgelegt. Das Berliner DIW-Institut erwartet «kaum mehr als eine Stagnation», die Commerzbank rechnet sogar mit einem Minus.
Trotz der Konjunkturabkühlung läuft es am Jobmarkt in der Währungsunion aber noch rund. Im Juni fiel die Arbeitslosenquote auf den tiefsten Stand seit elf Jahren. Der um jahreszeitliche Schwankungen bereinigte Wert lag bei 7,5 Prozent. Demnach waren knapp 12,4 Millionen registrierte Menschen im Euroraum auf Jobsuche – dies waren 45’000 weniger als im Vormonat und 1,032 Millionen weniger als vor einem Jahr.
Das dürfte den privaten Konsum stützen und einen stärkere Eintrübung der Konjunktur vorerst verhindern.
(reuters/mbü)