Die Europäische Zentralbank (EZB) dreht im Kampf gegen die hohe Inflation wie erwartet weiter kräftig an der Zinsschraube. Sie erhöht die Leitzinsen erneut um 75 Basispunkte, wie die EZB am Donnerstag mitteilte. Damit steigt der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, auf 2 Prozent.

Damit reagiert die EZB auf die zuletzt immer weiter gestiegene Inflation, die zuletzt im September mit 9,9 Prozent ein neues Rekordniveau erreichte.

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Start bei der Zinswende verpasst

«Dieser zweite grosse Zinsschritt in Folge war zwangsläufig», sagte Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung der Agnetur Reuters. «Die EZB hat im Vergleich zur Fed den rechtzeitigen Start bei der Zinswende verpasst. Daher muss sie angesichts der Rekord-Inflation jetzt besonders schnell aus dem Terrain unangemessen niedriger Leitzinsen heraus.»

Das Team von EZB-Chefin Christine Lagarde hatte bei ihrer Sitzung Ende Juli erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum wieder angehoben. Ein weiterer Schritt erfolgte Anfang September.

2023 Richtung vier Prozent?

«Die hohe Inflation und noch mehr die gestiegenen Inflationserwartungen sprechen für Zinsanhebungen auf Werte in Richtung von vier Prozent im Jahresverlauf 2023», so Heinemann.

Die Bewältigung der Energie-Rezession und die Sorge um die Schuldentragfähigkeit in Südeuropa sprächen hingegen für eine vorsichtigere Gangart.

Hohe Inflation droht sich festzusetzen

«Die EZB sollte ihre Leitzinsen in den kommenden Monaten weiter entschieden anheben und sich nicht von der anbahnenden Rezession irritieren lassen», sagte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Der Euroraum brauche einen EZB-Einlagensatz in der Grössenordnung von vier Prozent.

Andernfalls legten die zuletzt massiv gestiegenen Inflationserwartungen der Bürger weiter zu, und die hohe Inflation setze sich dauerhaft fest.

Keine Zufallsgewinne mehr für die Banken

Mit einem weiteren Entscheid schliesst die EZB einer umstrittenen Geschäftspraxis der Banken den Riegel. Sie ändert die Bedingungen für Kredite aus dem Programm für gezielte langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO-III). Mit diesen konnten die Banken während der Pandemie zu tiefen Zinsen bis –1 Prozent von der EZB längerfristig Geld leihen.

Sie haben aber keinen Anreiz, diese Kredite zurückzuzahlen. Da die Leitzinsen unterdessen gestiegen, können sie das überschüssige Geld bei der EZB zu 1,5 Prozent parken.
Damit solche risikolosen Renditen nicht mehr möglich sind, wird das Zinsniveau für die Refinanzierungsgeschäfte an die Leitzinsen der EZB gekoppelt.
 

(awp/reuters/gku)