Überraschend kommt das nicht: Die Stimmung der Konsumenten in der Schweiz ist so mies wie noch nie seit 1972. Herr und Frau Schweizer beurteilen die Wirtschaftsentwicklung als schlecht, sie haben kein Interesse an grösseren Anschaffungen und ihre eigene finanzielle Lage – so erwarten sie – dürfte sich in den nächsten Monaten verschlechtern.
Die neue Erhebung des Wirtschafts-Staatssekretariats Seco zeigt, wie sehr der «Great Lockdown» den Konsumenten die Laune verdirbt. Die schlechte Stimmung trifft damit den wichtigsten Teil der Wirtschaft – denn der private Konsum ist für 60 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Schweiz verantwortlich.
Bleierne Zeit
Das heisst auch: Solange diese Werte nicht drehen, rückt jede konjunkturelle Erholung in die Ferne. Und die Schweiz steht nicht alleine da: Auch aus Deutschland, Kanada, den USA oder Australien meldeten die entsprechenden Indikatoren in den letzten Tagen neue Rekordtiefs in der Stimmung. Was sich indirekt auch in den Schweizer Exportstatistiken oder in Tourismuszahlen niederschlagen dürfte.
Die entscheidende Frage: Wie langwierig ist das? Wie nachhaltig? Es hängt nun definitiv davon ab, wie lange es dauert bis zum Impfstoff. Die Politik eröffnet nun eine Phase, die der bekannte Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson als «post-lockdown, pre-vaccine» bezeichnet. Zu Deutsch: eine graue Zeit.
Menschenmengen = Spass
In dieser Phase, so Ferguson, würden alle Branchen weiter schrumpfen, die ein gewisses Mass an Nähe benötigen: Detailhandel, Luftverkehr, Bildung, Live-Kultur, Hotels, Restaurants… Es sei eine Illusion, dass demnächst ein «neuer Normalzustand» erreicht werde – immerhin sei Spass für die meisten Menschen so ziemlich das gleiche wie Menschenansammlungen. «Das kommende Jahr wird sowohl im psychologischen als auch im wirtschaftlichen Sinn eine Zeit der Depression werden», so Fergusons Folgerung.
Eine Ahnung davon, wie sich die Konsumentenstimmung entwickelt, gibt wohl der Blick nach China: Dort gilt die Virus-Krise als überwunden, und das Regime bemüht sich, wieder den Normalzustand auszurufen. Doch die Konsumausgaben bleiben gedämpft. Eine Umfrage ergab unlängst, dass 86 Prozent der Verbraucher vorhaben, im laufenden Jahr ihre Ausgaben für Luxusgüter zu beschränken. Ein weiteres Beispiel: Der Absatz von H&M lag auch Ende März noch 79 Prozent unter dem Vorjahresniveau.
Eine Erhebung der Beratungsfirma McKinsey ging der Frage nach, wo Chinas Konsumenten denn nun wieder kräftig zulangen – wo sie aber weniger ausgeben als zuvor. Die Antworten: In 21 Bereichen dürfte weniger konsumiert werden – beispielsweise für Heimelektronik, Schmuck, Hotelübernachtungen, Reisen, Restaurants, Veranstaltungen. Und nur in 10 Bereichen gaben die Befragten an, dass sie wohl eher mehr ausgeben wollen: Lebensmittel, Kinderprodukte, Haushaltswaren, Kosmetika und Körperpflege, Heimunterhaltung, Fitness & Wellness, Benzin.
Natürlich lassen sich die Signale aus der Volksrepublik nicht direkt auf die Schweiz übertragen. Doch eine Kernaussage drängt sich auf: Die Menschen werden nach den Lockdowns wohl vorsichtiger und zurückhaltender sein.
In der McKinsey-Befragung wurden übrigens Menschen aus zahlreichen Ländern befragt, darunter den grossen Staaten Europas. Eine klare Tendenz dabei: Die Konsumenten in Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien und Indonesien zeigten sich grundsätzlich optimistischer. Sie erwarten viel stärker als die Europäer, dass die Zeiten bald wieder besser werden.
- Niall Ferguson, «Don’t bet on a quick global resurrection: The speed of the economic recovery will be more tortoise than hare», in: «Sunday Times», 12. April 2020.
- McKinsey & Company: «A global view of how consumer behavior is changing amid COVID-19», April 2020.
(rap)