Die Menschen in Entwicklungsländern haben aufgrund der Coronavirus-Pandemie weniger zu essen und viele Kinder können nicht mehr zur Schule gehen. Die Einkommen sinken und die Verschuldung steigt, wie eine Studie des NGO-Netzwerks Alliance 2015 ergab.

Fast jede zweite Frau und mehr als ein Drittel der Männer haben für sich und ihre Familie weniger und qualitativ schlechtere Lebensmittel zur Verfügung, wie Alliance 2015 in der am Mittwoch veröffentlichten Studie schreibt. Dem Netzwerk gehören acht europäische Nichtregierungsorganisationen (NGO) an, darunter die Schweizer Entwicklungsorganisation Helvetas.

Einkommen geht zurück

Rund drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie wegen der Pandemie über weniger Geld verfügen. Viele können als Gelegenheitsarbeiterinnen und Tagelöhner im informellen Sektor ihrem Broterwerb nicht mehr nachgehen. Zudem erhalten sie weniger Geldüberweisungen von Verwandten aus dem In- und Ausland, wie gut drei Viertel der Befragten sagten.

Viele verschulden sich. Mehr als zwei Drittel der Befragten mussten Geld leihen oder konnten infolge der Pandemie nur noch auf Kredit einkaufen. Einige Menschen verkauften aus Geldnot ihr Vieh oder ihre sowieso schon kleinen Landparzellen. Die allermeisten Befragten machen sich mehr Sorgen um die Zukunft als vor der Pandemie.

Alliance 2015 fragte zwischen Oktober und Dezember 16'000 Frauen und Männer in 25 Ländern auf vier Kontinenten, wie sich die Coronavirus-Pandemie auf ihren Alltag auswirkt. Befragt wurden Personen in Städten, Slums, ländlichen Gebieten und in Flüchtlingscamps.

Kein Saatgut

Fast drei Viertel (72 Prozent) der befragten Bäuerinnen und Bauern verdienten aufgrund der Pandemie weniger. Sie hatten nicht nur Schwierigkeiten, ihre Produkte zu verkaufen, viele konnten sich auch kein Saatgut leisten.

«Wird nicht zur rechten Zeit angepflanzt, kann später nicht geerntet werden», sagte Rupa Mukerji, Ko-Autorin der Studie und Geschäftsleitungsmitglied von Helvetas, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Das führe zu weiteren Einkommensverlusten und zu Engpässen in der Nahrungsmittelversorgung. Helvetas hat in mehreren Ländern als Nothilfe Saatgut an Bauernfamilien verteilt und hilft auch dabei, Mikrokredite zu erhalten.

Kinderarbeit nimmt zu

Auch für Kinder ist die Lage prekär. Zwei von drei Schulkindern konnten zumindest zeitweise nicht mehr zur Schule gehen, weil diese über Monate geschlossen blieben, und es keine alternativen Lernmöglichkeiten gab.

«Beängstigend ist, dass mehr als ein Viertel der Befragten befürchtet, dass sie ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken können, wenn diese wieder offen sind», sagte Mukerji. Denn die Kinder hätten nicht nur viel Schulstoff verpasst, sondern müssten wegen der gestiegenen Not im Haushalt beim Kinderhüten, auf dem Feld oder bei andern Arbeiten helfen.

Know-how der ETH

Die grosse Mehrheit der befragten Frauen und Männer kannte die Schutzmassnahmen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus wie häufiges Händewaschen (87 Prozent) und das Maskentragen (81 Prozent).

Sie hatten jedoch begrenzte Möglichkeiten, die Schutzmassnahmen auch einzuhalten. Denn es fehlt oft an Wasser, Toiletten, Seife, Desinfektionsmittel und Masken. Enge Arbeits- und Lebensbedingungen behindern das Distanzhalten armer Menschen ebenfalls.

Alliance 2015 unterstützt die Menschen unter anderem dabei, Seife, Desinfektionsmittel und Masken lokal zu produzieren. Das könne auch lokale Einkommensmöglichkeiten schaffen. Helvetas etwa bildet Berufsschulabsolventinnen und -absolventen darin aus, wiederverwendbare Stoffmasken von guter Qualität herzustellen - auch mit dem Know-how der ETH.

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(sda/gku)