Wenn es um Konjunkturfragen geht, ist die Politik recht machtlos. Das wissen wir Ökonomen seit langem. Für die meisten Menschen ist das aber erstaunlich. Wahrscheinlich, weil die Politiker weltweit immer so tun, als könnten sie Wachstum und Beschäftigung steuern.

Aber tatsächlich ist Konjunkturpolitik in den meisten Fällen nur begrenzt wirksam. In der Fiskalpolitik kann man zwar die Defizite des Staates erhöhen. Eine Wachstumswirkung hat das aber nur für kurze Zeit, wenn überhaupt.

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Das liegt daran, dass Wachstum eine Jahresveränderung ist. Fährt man die Staatsausgaben hoch, gibt das in einem Jahr mehr Nachfrage. Im nächsten Jahr vergleicht man dann die höhere Nachfrage bereits mit der höheren Nachfrage aus dem Jahr der Erhöhung der Staatsausgaben. Was bleibt, sind grössere Defizite.

Hüst und Hott

Bestes Beispiel dafür sind die USA. Die grosszügige Unternehmenssteuerreform von Donald Trump hat im Jahr 2018 zu einem Anstieg des Wachstums von 2,3 Prozent im Vorjahr auf 2,9 Prozent geführt. Im zweiten Quartal dieses Jahres waren wir zurück auf 2,3 Prozent. Gleichzeitig ist das Budgetdefizit des Gesamtstaates von 4,3 auf 6,6 Prozent des Volkseinkommens gestiegen.

Ausser Spesen nichts gewesen? Schön wäre es. Natürlich steigt die Verschuldung nun dauerhaft so lange an, bis die Amerikaner wieder die Defizite reduzieren. Das wird Wachstum kosten. Gemessen am Volkseinkommen liegt die Verschuldung aktuell bei 110 Prozent. Amerika hat Europa damit überholt.

In der Geldpolitik ist es kein bisschen besser. Auch hier wirken Politikeingriffe nur temporär auf die Konjunktur. Und auch hier haben Staatseingriffe auf Dauer katastrophale Nebenwirkungen. Bestes Beispiel ist leider die Schweiz.

Hintergrund der aktuellen, historisch einmaligen Ausweitung der Notenbankgeldmenge ist der Versuch der Schweizerischen Nationalbank, einen allzu starken Franken zu verhindern. Mit Interventionen von mehr als 100 Prozent des Volkseinkommens sollten die Schweizer Exporteure und damit die Konjunktur und die Arbeitsplätze der Schweiz geschützt werden.

Klaus W. Wellershoff ist Ökonom und leitet das von ihm gegründete Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners. Er war Chefökonom der UBS und unterrichtet Nationalökonomie an der Universität St. Gallen.

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise hat die Nationalbank die Basisgeldmenge gemessen an der Grösse der Wirtschaft viermal mehr ausgeweitet als die europäischen Nachbarn. Von einem Nachvollzug der europäischen Geldpolitik kann da wohl nicht die Rede sein. Es ging ja auch nicht um die Gesundheit des Bankensystems oder das Wachstum der Kredite an KMU wie in Europa, sondern um den Wechselkurs.

Die Nebenkosten des SNB-Experiments

Geholfen hat das beispiellose Experiment nur begrenzt. Die Wechselkursuntergrenze ist gescheitert. Der Franken lag im Schnitt der letzten Jahre bei einem Wechselkurs von 1,11 – und schon wieder steigt der Aufwertungsdruck. Allein in den letzten vier Wochen hat die SNB mehr als 10 Milliarden Franken gedruckt und die negativen Zinsen im Kapitalmarkt sind noch negativer geworden.

Die Nebenkosten: immense Immobilienpreise, rekordverdächtig hohe Neumieten, keine Zinsen mehr auf die Ersparnisse der Jungen, Pensionskassen und gemeinnützige Stiftungen ohne nennenswerte Ertragsaussichten – und ein bisher nicht gekanntes Inflationspotenzial aus der gestiegenen Geldmenge. Vielleicht wäre es Zeit, sich daran zu erinnern, dass Konjunkturpolitik nur begrenzt wirken kann und immer Nebenwirkungen hat. Wir brauchen dafür nicht nur bescheidenere Ökonomen, sondern auch wieder bescheidenere politische Verantwortungsträger.

Aber das ist wohl schwierig in Zeiten von Donald Trump und Boris Johnson.