Die Allianz hat heute die fünfte Ausgabe ihres «Global Wealth Reports» vorgestellt, der die Vermögens- und Schuldenlage der privaten Haushalte in über 50 Ländern analysiert. Danach erzielte das globale Brutto-Geldvermögen der privaten Haushalte 2013 eine Zuwachsrate von 9,9 Prozent und damit das höchste Wachstum seit 2003. Rund um den Globus summierte sich das Finanzvermögen auf ein neues Rekordniveau von 118 Billionen Euro.
Haupttriebfeder des Wachstums war dabei die ausgezeichnete Entwicklung der Aktienmärkte in Japan, den USA und Europa: Das in Form von Wertpapieren gehaltene Vermögen erzielte ein Plus von 16,5 Prozent - sogar mehr als in den Jahren unmittelbar vor Ausbruch der Finanzkrise. Dahinter steht aber nicht die plötzlich wiederentdeckte Liebe der Sparer für Aktien. Lediglich in den USA floss frisches Geld in nennenswerter Höhe in Aktien oder andere Wertpapiere, vor allem Europäer zogen hingegen weiter Geld ab.
Schweiz wächst 5,3 Prozent
In der Schweiz wuchs das Brutto-Geldvermögen im vergangenen Jahr um 5,3 Prozent - marginal schneller als der europäische Durchschnitt. Seit 2007, dem letzten Vorkrisenjahr, summiert sich der Zuwachs auf 10,6 Prozent, was deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 15,1 Prozent liegt. Betrachtet man einen noch längeren Zeithorizont, lässt sich für die Entwicklung des Privatvermögens eine im europäischen Kontext nur sehr magere Bilanz ziehen: Seit Ende 2000 stieg das Brutto-Geldvermögen der schweizerischen Haushalte um durchschnittlich 2,3 Prozent pro Jahr, während sich die regionale Zuwachsrate auf 3,5 Prozent im Mittel belief.
Noch langsamer als in der Schweiz entwickelte sich der Vermögensbestand lediglich in Italien und im krisengebeutelten Griechenland. In Pro-Kopf-Rechnung reduziert sich die mittlere jährliche Wachstumsrate sogar auf 1,3 Prozent - nach Abzug der durchschnittlichen Inflationsrate von 0,6 Prozent ist in der Schweiz nahezu eine Stagnation zu konstatieren. Selbst die Japaner schnitten in diesem Zeitraum besser ab. Unverkennbar leiden die schweizerischen Sparer unter den Auswirkungen der Niedrigzinsen. Ein Trost bleibt jedoch: Absolut betrachtet verfügten die Schweizer mit rund 204'000 Euro immer noch über das höchste Brutto-Geldvermögen pro Kopf weltweit.
Hohe Ersparnisse und hohe Verschuldung
Die Vermögenssituation der schweizerischen Privathaushalte zeichnet sich aber nicht nur durch hohe Ersparnisse aus, sondern auch durch eine hohe Verschuldung. In keinem anderen Land war die private Schuldenlast pro Kopf grösser als in der Schweiz, wo auf jeden Einwohner durchschnittlich 75'490 Euro entfielen. Immerhin ist das Wachstum der privaten Verbindlichkeiten im letzten Jahr aber deutlich auf 1,5 Prozent zurückgegangen. Die Schuldenstandsquote (Verbindlichkeiten in Prozent der Wirtschaftsleistung) verharrte bei 124 Prozent, auch dies ein Spitzenwert. Die Schuldenlast relativiert sich allerdings ein wenig, wenn die Verschuldung in Relation zum Brutto-Geldvermögen gesetzt wird: Dabei errechnet sich für die Schweiz eine Quote von 34 Prozent, was exakt dem europäischen Mittelwert entspricht.
Für das globale Netto-Geldvermögen (Brutto-Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten) ergab sich für 2013 insgesamt ein zweistelliges Plus von 12,4 Prozent. In der Rangliste der reichsten Länder kam es vor allem zu wechselkursbedingten Verschiebungen, wie zum Beispiel Japans Abstieg um zwei Plätze. Trotz der im europäischen Vergleich schwachen Vermögensentwicklung in der langen Frist stand die Schweiz nach wie vor mit einem durchschnittlichen Netto-Geldvermögen pro Kopf von 146'540 Euro und deutlichem Abstand vor den USA an der Spitze. Neben der Schweiz zählten vier weitere europäische Länder zu den Top 10 weltweit, und zwar Belgien, die Niederlande, Schweden und Grossbritannien.
Wachsende Ungleichheit in den USA
In diesem Jahr nimmt die Allianz auch erstmals die Entwicklung der innerstaatlichen Vermögensverteilung mit Hilfe einer «Vermögensmatrix» näher unter die Lupe. Die Ergebnisse entsprechen nicht unbedingt dem Bild einer stark zunehmenden Ungleichheit. Tatsächlich gibt es unter den betrachteten Ländern mehr Länder, in denen sich die Vermögensverteilung in der letzten Dekade kaum verändert oder sogar verbessert hat, vor allem unter den aufstrebenden Volkswirtschaften und hier insbesondere in Lateinamerika. In einigen grossen Ländern wie Indien und Russland ist allerdings eine gegensätzliche Entwicklung zu beobachten - wie auch in den entwickelten Ländern: Hier hat sich die Vermögensverteilung in der Mehrzahl der betrachteten Länder eher verschlechtert, d.h. der Vermögensanteil der reichsten zehn Prozent ist noch einmal gestiegen.
Nirgendwo ist diese Entwicklung markanter als in den USA. Doch auch die Schweiz und einige andere europäische Länder (Frankreich, Irland oder Italien) mussten eine signifikante Zunahme der Ungleichheit hinnehmen. Ein krisenbedingt eher schwaches Vermögenswachstum scheint vor allem die kleinen und mittleren Vermögen in Mitleidenschaft zu ziehen. «Die politischen Implikationen sind klar: Wer für eine homogenere Verteilung der Vermögen eintritt, sollte nicht darauf zielen, durch Steuern und Abgaben das Wachstum der Vermögen zu begrenzen, sondern vielmehr alles daran setzen, die Vermögensentwicklung insgesamt zu fördern. Wachstum ist die beste Medizin für soziale Gerechtigkeit», sagt Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz Gruppe.
Heterogenes Bild bei der Verteilung
Die Untersuchung nach globalen Vermögensklassen bekräftigt dieses heterogene Bild. 2013 lebten insgesamt 912 Millionen Menschen mit mittlerem Netto-Geldvermögen in den von der Allianz untersuchten Ländern. Die Dynamik, mit der sich die globale Mittelschicht entwickelt, wird dabei vor allem über einen längeren Zeitraum hinweg deutlich: Seit Jahrtausendbeginn hat sich die Bevölkerung, die im globalen Massstab über ein mittleres Vermögen verfügt, in Lateinamerika verdoppelt, in Osteuropa beinahe verdreifacht und in Asien sogar versiebenfacht.
Aber das rapide Wachstum der Mittelschicht ist nicht für alle eine Erfolgsgeschichte. Gerade in den Ländern, in denen die Verschuldung in den letzten Jahren enorm angestiegen ist und deren Geldvermögen in der Krise gelitten hat, gibt es heute weniger Menschen mit hohem Vermögen als noch zu Beginn des Jahrtausends. Insgesamt ist die «Vermögensoberklasse» in den letzten Jahren um gut 65 Millionen Menschen geschrumpft. Die stärksten absoluten Verschiebungen in diese Richtung mussten dabei die USA, Japan, Frankreich und Italien verzeichnen - alles Länder, in denen auch die innerstaatliche Vermögensverteilung signifikant «ungleicher» geworden ist.
Mehr Menschen partizipieren
Die Zahl der Mitglieder der unteren Vermögensklasse (durchschnittliches Netto-Geldvermögen pro Kopf von weniger als 5300 Euro) ist mit rund 3,5 Milliarden Menschen in den letzten Jahren relativ konstant geblieben. Allerdings ist dies vor allem eine Folge des hohen Bevölkerungswachstums.
Wird die Entwicklung um diesen natürlichen Anstieg «bereinigt», wird deutlich, welch immense Aufstiegsgeschichte sich hinter diesen Zahlen verbirgt: Nahezu einer halben Milliarde Menschen ist es in den vergangenen 13 Jahren gelungen, in die globale Vermögensmittelklasse aufzusteigen. «Mehr als alles andere unterstreicht diese Zahl, dass im globalen Massstab immer mehr Menschen am weltweiten Wohlstand partizipieren können. Von zunehmender Ungleichheit kann aus dieser globalen Perspektive keine Rede sein», so Heise.
(sda/gku)