An der Schweizer Wirtschaft scheint derzeit einfach alles abzuperlen. Die Inflationskrise von 2022 hat hierzulande mit Teuerungsraten von nur knapp über 3 Prozent niemandem so richtig wehgetan. Steigende Zinsen und Fremdkapitalkosten? Auch das hat der Immobilienmarkt gut weggesteckt. Der Zusammenbruch der zweitgrössten Bank? Der Finanzstandort inklusive Versicherungen beschäftigt mehr Leute denn je.

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Jüngstes Beispiel für die hohe Widerstandskraft der Schweizer Wirtschaft ist die Krise in Deutschland, dem nach den USA wichtigsten Handelspartner. Im grossen Kanton stagniert die Wirtschaft seit Corona. Im zweiten Quartal ist das deutsche Bruttoinlandprodukt (BIP) real wieder leicht geschrumpft und die Frühindikatoren zeigen weiter nach Süden.

Die deutsche Wirtschaft ist mit der schweizerisch eng verzahnt. Deutschland hat die Autoindustrie, die Schweiz die Zulieferer. Und so gilt: Wenn Deutschland hustet, bekommt die Schweiz eine Erkältung. 

Doch diesmal scheint die Schweiz eine Impfung dagegen gefunden zu haben. Es herrscht zwar nicht gerade ein Boom, aber die Wirtschaft schlägt sich wacker angesichts der schwierigen Welt- und Konjunkturlage, in der nicht nur Deutschland Mühe hat, sondern auch China nicht vom Fleck kommt und selbst in den USA Rezessionssorgen kursieren.

Im zweiten Quartal ist das BIP real sogar um 0,5 Prozent gewachsen. Auf das Jahr hochgerechnet, wie das in den USA und Japan gang und gäbe ist, wären das stattliche 2 Prozent. Und die Frühindikatoren zeigen anders als in Deutschland tendenziell nach oben.

Man sollte den Tag nie vor dem Abend loben, auch sollte man die Konjunktur – das kurzfristige Auf und Ab des Zyklus – nicht mit der langfristigen Wachstumsperspektive verwechseln. Denn da ist die Schweiz, vor allem pro Kopf betrachtet, keine Musterschülerin.

Aber im Moment sieht es ganz danach aus, als würde sie die konjunkturelle Baisse in Deutschland und China gut überstehen. 

Über die Gründe lässt sich streiten. Wichtig ist sicher die breite Diversifikation der Exporte und der gesamten Wirtschaft. Die Schweiz hat keine mit Subventionen hochgedopten Superbranchen mit Monokulturen, sondern viele Standbeine mit Unternehmen, die sich dem Weltmarkt schnell anpassen. Das kommt ihr jetzt zugute. Die Maschinenindustrie leidet, dafür boomen die Pharmaexporte. Ein anderes Mal laufen die Uhrenexporte gut, während die chemische Industrie Mühe hat. 

Der starke Franken war in der Inflationskrise sicher ein Vorteil, dämmte er doch die Importpreise. Und natürlich helfen auch die attraktiven Rahmenbedingungen mit einer funktionierenden Regierung, die für politische Stabilität sorgt.

Dem sollten wir Sorge tragen, und der Erfolg darf uns nicht in den Kopf steigen. Hochmut kommt vor dem Fall.