Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz befindet sich auf dem tiefsten Stand seit zehn Jahren. Im März waren laut Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) 112'341 Personen arbeitslos. Wegen der guten wirtschaftlichen Entwicklung ist die Beschäftigung 2018 um fast 2 Prozent gewachsen. Die meisten neuen Stellen schaffte die Uhrenindustrie. Aber auch im Gesundheitswesen und der IT stieg die Beschäftigung. 

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In diesem Jahr rechnen die Ökonomen des Wirtschaftsinstituts BAK Economics damit, dass sich die Arbeitslosenquote bei 2,3 Prozent einpendelt. Da sich die Konjunktur bereits vor einigen Monaten verlangsamt hat und derzeit insbesondere politische Unsicherheiten das Wirtschaftswachstum belasten, werden die Unternehmen auch weniger neue Stellen schaffen. 

Damit herrscht hierzulande Vollbeschäftigung – zumindest per Definition. Doch mehrere Faktoren trüben die Euphorie: Einerseits ist die Arbeitslosenquote keineswegs auf einem historischen Tiefstand, andererseits ist die Schweiz im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld.

Arbeitslosigkeit war früher niedriger

Tatsächlich ist die Arbeitslosigkeit heute höher als bis in die neunziger Jahre: Vor 1990 lag die Arbeitslosigkeit in der Schweiz bei rund 1 Prozent, seither hat sie sich über die Jahre durchschnittlich bei 3 Prozent eingependelt.

Nicht nur, dass Vollbeschäftigung eine Frage der Definition ist. Es kommt auch darauf an, wie man sie misst: Die Erwerbslosenquote nach dem Standard der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist nämlich wesentlich höher als die Arbeitslosenquote nach Schweizer Berechnung. Demnach läge die Erwerbslosigkeit derzeit bei 4,7 Prozent und wäre damit höher als beispielsweise in Grossbritannien, den Niederlanden und Deutschland

 

Arbeitslosigkeit vs. Erwerbslosigkeit
Quelle: Statista

Dies könnte darauf hindeuten, dass am Schweizer Arbeitsmarkt doch nicht alles so rosig ist wie angenommen.

Hohe Integration in den Arbeitsmarkt

Die Schweiz hat zwar im internationalen Vergleich eine sehr hohe Beteiligungsrate: 84 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ist beschäftigt. Das ist ein Rekordhoch und sticht im internationalen Vergleich heraus. Nur Island hat innerhalb Europas eine noch höhere Rate. Der EU-Durchschnitt liegt bei 73 Prozent. 

Allerdings wird dabei nur die Zahl der Beschäftigten gezählt und nicht in Teil- oder Vollzeitbeschäftigte unterschieden. Denn mit 35 Prozent ist die Zahl der Teilzeitbeschäftigten hierzulande ausserordentlich hoch – insbesondere im europäischen Vergleich. Nur in den Niederländer arbeiten mehr Menschen nicht 100 Prozent.

Die scheinbar guten Arbeitsmarktzahlen lenken von einem weiteren Problem ab: Die Zahl der ausgesteuerten Arbeitslosen steigt seit Jahren – von rund 20'000 im Jahr 2008 auf etwa 35'000 zehn Jahre später. Von der Aussteuerung betroffen, sind Personen zwischen 50 und 54 Jahren am stärksten. 

Unterbeschäftigung steigt

Die Erwerbsquote von Frauen ist rund 9 Prozentpunkte niedriger ist als die der Männer, ist aber in den vergangenen Jahren gestiegen. Doch in Bezug auf Teilzeitbeschäftigung vergrössert sich die Kluft. Nur knapp 60 Prozent der Frauen arbeitet in Vollzeit gegenüber über 85 Prozent bei den Männern.

Grund ist meist die Betreuung von Kindern sowie unflexible und lange Arbeitszeiten, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschweren. Über 60 Prozent der Frauen reduziert die Arbeitszeit zur Kinderbetreuung gegenüber rund 15 Prozent der Männer, gemäss einer Umfrage des Bundesamts für Statistik (BfS). 

Doch nicht nur der Anteil der in Teilzeit Beschäftigen nimmt zu, sondern auch die Unterbeschäftigung: Seit 2004 ist sie von rund 5 auf mehr als 7 Prozent gestiegen. Und auch hier herrscht hohe Ungleichheit: Während nur rund 3 Prozent der Männer unterbeschäftigt sind, liegt der Anteil bei den Frauen über 11 Prozent.

So kommt BAK-Chefökonom Martin Eichler zu dem Schluss, dass man nur schwer von Vollbeschäftigung sprechen könne. Denn immer mehr Schweizerinnen und Schweizer arbeiten in Teilzeitarbeit oder sind temporär beschäftigt. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht gebe es dennoch keinen Handlungsbedarf.