Die Schweizer Wirtschaft ist im ersten Quartal 2021 leicht geschrumpft. Die zweite Corona-Welle und die entsprechenden Einschränkungen haben für den Rückschlag gesorgt. Mit den jüngsten Lockerungen dürfte die Wirtschaft aber wieder zu starkem Wachstum zurückkehren.
Das Bruttoinlandprodukt (BIP) sank in der Periode von Januar bis März 2021 gegenüber dem Vorquartal um 0,5 Prozent, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Dienstag mitteilte.
Vor allem im Dienstleistungssektor sei die Wertschöpfung im Zuge der verschärften Corona-Massnahmen im ersten Quartal markant gesunken, so das Seco. Der private Konsum war entsprechend stark rückläufig (-3,3%). Dagegen wuchs die Industrie kräftig (Verarbeitendes Gewerbe +4,9%) und verhinderte einen deutlicheren Rückgang des BIP. Ein Konjunktureinbruch vergleichbar mit jenem vom Frühjahr 2020 sei daher ausgeblieben.
Bezogen auf die Sektoren verzeichnete das Gastgewerbe (-30,4 %) ein noch stärkeres Minus als im Vorquartal. Das ist allerdings wenig überraschend, mussten die Gastronomie-Betriebe doch geschlossen bleiben und die internationale Reisetätigkeit verharrte auf einem sehr tiefen Niveau. Auch der Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung (-5,1%) registrierte angesichts der verschärften Eindämmungsmassnahmen ein stark negatives Quartalsergebnis.
Zusätzlich entwickelte sich das Gesundheits- und Sozialwesen (-3,0 %) negativ, laut Seco u.a. aufgrund der Verschiebung planbarer Behandlungen. Und im Einklang mit der nachlassenden Mobilität der Bevölkerung war auch der Bereich Transport und Kommunikation (-0,9%) rückläufig.
Industrie bereits über Vorkrisenniveau
Die Industrie blickt derweil auf eine ausgesprochen positive Quartalsentwicklung zurück. Sowohl die Wertschöpfung als auch die Exporte hätten insgesamt das Vorkrisenniveau bereits wieder überschritten, schreibt das Seco. Im Gegensatz zur ersten Welle im letzten Frühling waren die internationalen Lieferketten dieses Mal kaum unterbrochen.
Gestützt von der stark anziehenden Nachfrage bei wichtigen Handelspartnern - etwa in den USA und in China - konnte das verarbeitende Gewerbe ersten Quartal dynamischer wachsen als im Vorquartal. Dazu trugen laut Seco sowohl die Chemie-Pharma als auch die übrigen, konjunktursensitiveren Branchen des verarbeitenden Gewerbes bei.
Die Stimmung in der Schweizer Wirtschaft hellt sich weiter auf: Der Einkaufsmanager-Index (PMI) für die Industrie stieg im Mai saisonbereinigt zum Vormonat um 0,4 auf 69,9 Punkte. Er liege damit auf dem höchsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 1995, teilte die Credit Suisse, die den Index zusammen mit dem Branchenverband Procure.ch. berechnet, am Dienstag mit.
Der Index misst, wie optimistisch die Einkaufsmanager auf die zukünftige Wirtschaftsentwicklung blicken. Werte von über 50 Punkten deuten auf Wachstum hin. Auf dem Höhepunkt der Coronakrise im letzten Frühling war der Index bis auf 41,2 Punkte abgesackt.
Verbessert hat sich die Stimmung nicht nur in der Industrie, sondern auch im Dienstleistungssektor. Der entsprechende Index stieg gerundet um 1,1 auf 58,8 Zähler. Er war auf dem Höhepunkt der Krise auf gegen 20 Punkte zurückgefallen.
Erholung dürfte weitergehen
Auch das KOF Konjunkturbarometer - der zweite wichtige Frühindikator für die Schweizer Wirtschaft - hatte sich im Mai weiter kräftig belebt und ist auf einen historischen Höchststand geklettert. Es stieg um 6,8 Zähler auf 143,2 Punkte, wie die KOF Ende vergangener Woche mitgeteilt hatte.
Die Erholung der Industrie sei breit abgestützt, heisst es in der PMI-Erhebung weiter. Angesichts der guten Auftragslage dürfte sich dies bis auf Weiteres fortsetzen, auch wenn sich die Produktionsdynamik etwas verlangsamt habe.
Die Erholung der Industrie schreite weiterhin derart rasch voran, dass nun verbreitet Knappheit auftrete, erklärte die Grossbank. Es komme auch zu längeren Lieferfristen und höheren Einkaufspreisen. Vor allem Güter aus Übersee seien teurer geworden, aber auch generell Rohstoffe und Elektronikkomponenten.
Zögerlicher Personalaufbau
Gleichzeitig verlaufe der Kapazitätsaufbau der Industrieunternehmen schleppend. Auch mit einem Personalaufbau zögere die Mehrzahl der Unternehmen noch. Entsprechend sollten die Rekordstände angesichts der starken Einbrüche während der Corona-Pandemie nach wie vor nicht überinterpretiert werden.
Auch die Dienstleistungsunternehmen seien beim Personalaufbau zögerlich, so die Mitteilung weiter. Aber immerhin liege die Subkomponente Personal im Mai erstmals seit 15 Monaten mit 52,5 Punkten wieder oberhalb der Wachstumsschwelle.
Generell sei die Dynamik im Dienstleistungssektor nach wie vor geringer als in der Industrie. Dieser Wirtschaftszweig sei stärker vom Binnenkonsum abhängig. Hier habe die Erholung aber bereits vor dem jüngsten Öffnungsschritt des Bundesrats an Fahrt aufgenommen.
Auch die Erholung verschiedener Exportkategorien setzte sich fort, darunter jene der Uhren und Präzisionsinstrumente sowie der Maschinen und Metalle. Insgesamt seien die Warenexporte (+1,5%) trotz des stark rückläufigen Transithandels spürbar gewachsen, so das Seco.
Der BIP-Rückgang fiel insgesamt auch im Rahmen der Erwartungen aus. Von AWP befragte Ökonomen hatten die Entwicklung zum Vorquartal bei -0,7 bis -0,4 Prozent gesehen.
Starke Erholung zu erwarten
Mit den Öffnungsschritten des Bundesrats in den vergangenen Tagen und Wochen dürfte das Wachstum zuletzt aber wieder stark angezogen haben beziehungsweise sollte sich weiter erholen. Dies zeigt etwa auch der ebenfalls vom Seco berechnete Index zur wöchentlichen Wirtschaftsaktivität (WWA), der zeitnahe Informationen zur Entwicklung der Schweizer Wirtschaft liefert und zuletzt markant gestiegen ist.
Für das zweite Quartal ist somit ein starkes BIP-Wachstum zu erwarten. Diese Zahlen werden aber erst Anfang September veröffentlicht. So hat sich im Mai auch die Stimmung in der Schweizer Wirtschaft weiter etwas aufgehellt. Die Zuversicht nimmt zu, dass auch der letzte Corona-Einbruch rasch aufgeholt wird.
(awp/mlo)