Sie leben nicht in Moskau. Nicht in Los Angeles. Nicht in New York. Die meisten Milliardäre der Welt leben in der britischen Hauptstadt London. Das zeigt die «Super-Rich List» der Sunday Times.

Demnach sind derzeit 72 Pfund-Milliardäre in London zu Hause. Keine andere Stadt der Welt kommt auf so viele Superreiche. In ganz Grossbritannien residieren derzeit 104 Milliardäre, eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, als nur 88 Milliardäre im Vereinigten Königreich wohnten.

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Bezogen auf die Bevölkerungszahl hat das Land mehr Milliardäre als jedes andere Land der Welt. Interessanterweise ist unter den Top Ten jedoch nur ein einziger Brite. Alle anderen Superreichen sind Ausländer. Dies ist ein neuer Beleg für die Transformation Londons zum Zentrum der globalen Geldelite.

Usmanov von der Spitze verdrängt

Angeführt wird die Liste der Superreichen von den in Indien geborenen Brüdern Srichand und Gopichand Hinduja, die auf ein Vermögen von 11,9 Milliarden Pfund (rund 14,6 Milliarden Euro) kommen. Sie konnten ihren Reichtum innerhalb eines Jahres um 1,3 Milliarden Pfund (1,6 Milliarden Euro) steigern.

Damit haben sie Alisher Usmanov verdrängt, einen russischen Geschäftsmann, der Anteile am Fussballclub Arsenal hält. Er soll der Studie zufolge 10,65 Milliarden Pfund (etwa 13 Milliarden Euro) schwer sein. Der Chef des Stahlkonzerns Mittal, Lakshmi Mittal, schafft es mit 10,25 Milliarden Pfund (rund 12,5 Milliarden Euro) auf den dritten Platz.

Erst an zehnter Stelle der Liste taucht ein Brite auf: Gerald Cavendish Grosvenor, der Duke of Westminster, ist mit 8,5 Milliarden Pfund (10,4 Milliarden Euro) aufgeführt.

Moskau und New York abgeschlagen

Andere Städte kommen der Rich List zufolge nicht ansatzweise auf so viele Milliardäre wie London. Laut Sunday Times leben in Moskau 48, in New York 43. Die amerikanische Westküstenstadt Los Angeles hat ebenfalls 43 Einwohner mit einem Vermögen von mehr als einer Milliarde Pfund, die frühere britische Kolonie Hongkong 34.

Auch bei den Millionären erlebt Grossbritannien in diesem Jahr einen starken Zuwachs. Der Branchendienst «WealthInsight» prognostizierte für 2014 im Januar eine «Millionärsexplosion«. Der Schätzung zufolge soll die Zahl der Millionäre im Vereinigten Königreich um rund 44'500 auf über 700'000 zulegen. Hier spielen die reichen Ausländer ebenfalls eine entscheidende Rolle.

Damit löst sich London zunehmend vom Rest des Vereinigten Königreiches, der «disconnect« wächst. Gemeint ist damit die Kluft zwischen London und den anderen Teilen des Landes.

Viele Geschäftszweige boomen

Der Zustrom der Superreichen lässt viele Geschäftszweige boomen. Der Immobilienmarkt floriert, gerade im sogenannten «Super Prime»-Bereich. «London ist ein Ankerplatz für die Reichen der Welt», sagt Lisa Hollands, Direktorin beim Immobilienmakler CBRE.

Mehr als 230 Gebäude mit mehr als 20 Stockwerken sind derzeit geplant oder schon im Bau. Ein grosser Teil davon sind Wohnimmobilien. In der Nähe des Finanzviertels Canary Wharf soll der Hertsmere Tower entstehen, das höchste Wohngebäude Europas.

Im ersten Quartal 2014 sind die Immobilienpreise in London um mehr als 18 Prozent gestiegen, zeigen Zahlen von Nationwide, der grössten Bausparkasse des Landes. Dafür sorgten auch zahlreiche ausländische Käufer, die ihr Geld sicher anlegen wollen und bereit sind, extrem hohe Preise zu zahlen.

So wurde erst kürzlich bekannt, dass der reichste Ukrainer der Welt, Rinat Akhmetov, 140 Millionen Pfund (rund 171 Millionen Euro) für ein Penthouse in der Luxuswohnanlage «One Hyde Park» bezahlt hat. In der Anlage sind Wohnungen für 50'000 Pfund die Woche zu mieten.

Oft ganz spezielle Wünsche

Um die reichen Ausländer und ihre Familien hat sich eine florierende Industrie entwickelt. Sogenannte «Family Offices» kaufen im Auftrag ihrer Kunden Immobilien, organisieren Visa, kümmern sich um die Beschulung der Kinder und chartern bei Bedarf Privatjets oder Yachten.

«Der Reichtum kommt vor allem aus dem Mittleren Osten, aus Osteuropa und aus Asien«, sagt Martin Graham, Vorsitzender derOracle Capital Group in London. Es habe eine starke Veränderung bei der Zusammensetzung des Reichtums gegeben.

Viele von Grahams Kunden sind vermögende Russen mit oft speziellen Wünsche: «Russen wollen in ganz bestimmten Gegenden wohnen, sie wollen Concierge-Service und Tiefgaragenstellplätze.«
Stadtteile wie Kensington und Chelsea seien bei dieser Klientel besonders angesagt. London profitiere von dem Ruf, eine weltoffene Stadt zu sein. «In einer sehr unsicheren Welt wird London als sicherer Hafen angesehen«, sagt Graham.

Die Regierung fördert den Zuzug der Reichen

Davon profitiert auch die Bildungsbranche: Es gilt als gute Geldanlage, sein Kind auf ein renommiertes britisches Internat zu schicken. Das lassen sich die Eltern pro Jahr bis zu 33'000 Pfund (40'500 Euro) kosten, zeigt der «Good Schools Guide«, der im Februar veröffentlicht wurde. Die Regierung Cameron fördert den Zuzug der Reichen aus dem Ausland weiter. Visabestimmungen für chinesische Touristen und Geschäftsleute werden vereinfacht. Es ist für Ausländer vergleichsweise leicht, sich eine Aufenthaltserlaubnis zu beschaffen.

1,2 Millionen Pfund (rund 1,79 Millionen Euro) reichen aus, wenn sie in ein Unternehmen vor Ort investiert werden. Nach vier bis sieben Jahren Aufenthalt im Land kann ein Pass beantragt werden. Auch die vergleichsweise niedrige Steuerlast und die gute Reputation des britischen Rechtssystems machen das Land für reiche Ausländer attraktiv.

Der «Super-Rich List« zufolge haben die Vermögen in diesem Jahr erstmals den Vorkrisenrekord aus dem Jahr 2008 übertroffen. Während die Milliardäre damals zusammen auf 201 Milliarden Pfund (rund 246,2 Milliarden Euro) kamen, sind es heute insgesamt 301 Milliarden Pfund.

Gleichzeitig ist ein höheres Vermögen notwendig, um überhaupt auf der Liste genannt zu werden. Dem «Guardian« zufolge ist dafür erstmals seit 2008 ein Reichtum von mehr als 1,5 Milliarden Pfund erforderlich.

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.