Die Erwerbstätigkeit von Müttern hat sich in der Schweiz seit 1980 beinahe verdreifacht. Das ergibt eine Untersuchung der Online-Reihe Social Change in Switzerland.
«Teilzeitarbeit ist zur Normalität geworden. Das Modell der Mutter als Hausfrau, das noch in den 1990er-Jahren vorherrschend war, wird nur noch von einer Minderheit gelebt», schreiben die Autoren Francesco Giudici und Reto Schumacher in der Studie.
Basiert auf Volkszählungen
Die Autoren stützten sich auf die Daten der Volkszählungen von 1980, 1990 und 2000 sowie auf die Strukturerhebung 2010 bis 2014. Sie zeigen, dass sich die Arbeitsmarktbeteiligung von Müttern in Paarhaushalten mit Kindern unter 4 Jahren in den vergangenen 40 Jahren fast verdreifacht hat - allerdings mit grossen regionalen und soziodemografischen Unterschieden.
Die stärkste Zunahme zeigt sich in den französischsprachigen Kantonen. Im Kanton Wallis etwa hat sich der Anteil der Erwerbstätigkeit unter den jungen Müttern von 18 Prozent in den 1980er-Jahren auf 69 Prozent in den Jahren 2010 bis 2014 erhöht.
Grösse der Familie
Vier individuelle Faktoren wurden genauer unter die Lupe genommen. Als erstes die Familiengrösse: Heute gilt, je mehr Kinder eine Frau hat, desto geringer ist ihre Erwerbstätigkeit. In der Vergangenheit hatte die Anzahl Kinder einen geringeren Einfluss auf die Erwerbstätigkeit der wenigen Mütter, die überhaupt erwerbstätig waren.
Zweitens das Bildungsniveau: Frauen mit einer akademischen Ausbildung sind heute wie in den 80er-Jahren öfter erwerbstätig. Allerdings nehmen die Unterschiede in der Erwerbstätigkeit aufgrund des Bildungsniveaus in der Tendenz ab, ausser für Frauen mit einer geringeren Qualifikation als ihr Partner.
Die Autoren gehen davon aus, dass diese beiden Faktoren - Grösse der Familie und Bildungsniveau - die Kosten-Nutzen-Abwägungen bezüglich der Kinderbetreuung beeinflussen und damit eine wichtige Rolle spielen für den Entscheid, erwerbstätig zu sein oder nicht.
Nationalität und Zivilstand
Weiter relevant sind individuelle Merkmale wie die Nationalität und der Zivilstand. Die Autoren stellen eine Umkehrung der Tendenz in Bezug auf erwerbstätige Schweizerinnen und Ausländerinnen fest. In den 80er-Jahren waren weniger Schweizerinnen als Ausländerinnen in Paarhaushalten mit Kindern unter vier Jahren erwerbstätig, während heute die Ausländerinnen proportional weniger auf dem Arbeitsmarkt vertreten sind.
«Obschon es möglich ist, dass eine veränderte Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung nach Nationalitäten dabei eine Rolle gespielt hat, kann man darin auch das Ende des bürgerlichen Familienmodells bei den schweizerischen Paaren sehen», schreiben die Autoren.
Zunehmende Gleichstellung
Diese zunehmende Gleichstellung zwischen den Partnern lasse sich auch feststellen, wenn die verheirateten Frauen mit den unverheirateten verglichen werden. Im Konkubinat lebende Mütter behalten zwar ein höheres Erwerbspensum bei als verheiratete Mütter, aber der Unterschied hat sich stark abgeschwächt, von mehr als 50 Prozent im Jahr 1990 auf weniger als 10 Prozent von 2010 bis 2014.
Die Reihe Social Change in Switzerland dokumentiert die gesellschaftlichen Entwicklungen in der Schweiz. Sie wird herausgegeben vom Schweizer Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften FORS, vom Zentrum für die Erforschung von Lebensläufen und Ungleichheiten der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Lausanne LINES, sowie vom Nationalen Forschungsschwerpunkt LIVES - Überwindung der Verletzbarkeit im Verlauf des Lebens (NFS LIVES).
(sda/cfr)