Die weltweiten Engpässe bei der Energieversorgung, die Strom- und Kraftstoffpreise in die Höhe getrieben haben, könnten sich nach Ansicht der Internationalen Energieagentur IEA noch verschärfen.
«Die Welt hat noch nie eine so tiefgreifende und komplexe Energiekrise erlebt», sagte IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol am Dienstag auf einem globalen Energieforum in Sydney.
Das Schlimmste habe man vielleicht noch nicht gesehen – das betreffe die ganze Welt.
Für Europa, aber auch für andere Regionen werde die Sicherheit der Öl- und Gasversorgung weiterhin eine Herausforderung darstellen.
«Dieser Winter wird in Europa sehr, sehr schwierig werden», sagte Birol. Das sei eine grosse Sorge, und das könne ernste Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.
Zwar liegen die europäischen Erdgaspreise zurzeit deutlich unter dem Allzeithoch im März – doch es zeichnet sich eine länger andauernde Störung ab, sagt Energie-Experte Javier Blas in einem Bloomberg-Kommentar.
So deute der Gasmarkt extreme Gefahren an für die nächsten Winter 2023 und 2024. In den letzten Tagen habe sich die gesamte europäische Gaspreiskurve auf einem viel höheren Niveau eingependelt.
Seit einem Jahr manipuliere Russland die europäischen Gaslieferungen. Der Markt sei nun endgültig davon überzeugt, dass Moskau dies auch weiterhin tun wird – vielleicht sogar noch stärker.
Ganz einstellen werde Russland die Gaslieferungen aber wohl kaum. Denn ohne sie kann das Land keinen Druck auf Europa mehr ausüben.
«Aus taktischen Gründen wird Moskau wahrscheinlich einen Teil der Gaslieferungen aufrechterhalten und sich die Möglichkeit offenhalten, die Lieferungen zu kürzen oder zu verlangsamen, wann immer es will», sagt Blas.
Es sei darum richtig, dass der Markt die Gaskurve neu bewertet hat. Die Frage sei, warum das so lange gedauert hat.
So bestehe trotz allem die Gefahr, dass Moskau den Gashahn Richtung Deutschland im Winter komplett zudreht, um die deutsche Wirtschaft in die Knie zu zwingen.
Dieses Ergebnis habe der Markt bisher noch nicht eingepreist, schreibt Blas weiter.
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern
Die Auswirkungen auf den globalen Energiesektor wegen des Krieges in der Ukraine habe die Notwendigkeit unterstrichen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, sagte US-Energieministerin Jennifer Granholm auf demselben Forum.
«Unser globaler Umstieg auf saubere Energie könnte der grösste Friedensplan von allen sein», sagte sie. Man wolle und müsse zu sauberer Energie übergehen.
Allerdings müssen sich die Nationen davor hüten, bei der Umstellung auf saubere Energie die Abhängigkeit von einem dominanten Energielieferanten wie Russland durch eine Abhängigkeit von einem anderen zu ersetzen.
Keine Abhängigkeit von China bei erneuerbaren Energien
So habe etwa China einen grossen Teil der Technologien und der Versorgungsketten in Beschlag genommen. «Das könnte uns verwundbar machen, wenn wir nicht unsere eigenen Versorgungsketten entwickeln», so Granholm.
Das Land kontrolliert etwa 80 Prozent der weltweiten Lieferkette für Solarenergie. Bis 2025 sei sogar mit einem Anstieg auf 95 Prozent zu rechnen.
«Indem wir widerstandsfähige Lieferketten für saubere Energie aufbauen, können wir unsere Volkswirtschaften vor den Erschütterungen der nächsten Krise schützen», sagte der australische Minister für Klimawandel und Energie, Chris Bowen, in einer Rede auf dem Forum. Man solle nun keine Zeit verlieren.
(Bloomberg/bsc)