Irren ist menschlich. Aber zweimal hintereinander so weit daneben zu liegen, das muss man erst einmal hinkriegen. Diesen Vorwurf müssen sich derzeit viele Ökonomen, Notenbankerinnen und Finanzprofis gefallen lassen.
Zuerst haben sie die Inflation unterschätzt und dann, als die Leitzinsen angehoben wurden, eine Rezession vorausgesagt, die nie eingetroffen ist. Die hohen Zinsen werden diesem Zyklus ein jähes Ende setzen, so der Tenor. Mehr noch: Es sei sogar nötig, um die Inflation unter Kontrolle zu bekommen.
Es war quasi eine Rezession auf Ansage. Denn höhere Zinsen sind Gift für eine Wirtschaft, die über Jahre auf Schulden gebaut wurde. Sie bremsen die Investitionen und den Konsum, so steht es in jedem Lehrbuch.
In den USA hat noch gar keine Landung stattgefunden
Aber abgesehen von den Problemen der Industrie, die weniger mit den Zinsen zu tun haben und vor allem Deutschland betreffen, ist die Wirtschaft nicht abgestürzt.
Der Zinsschock hat ein paar Banken in Schwierigkeiten gebracht und einigen Geschäftsmodellen den Stecker gezogen – man denke an René Benkos undurchsichtiges Schuldenkonstrukt oder an die Luftschlösser im Startup-Bereich. Aber eine Krise ist das nicht.
In den USA kann man nicht einmal mehr von einer sanften Landung reden. Es hat bisher gar keine Landung stattgefunden, die US-Wirtschaft fliegt weiter. Das zeigen die neuesten Daten vom Jobmarkt: Im November und Dezember wurden nochmals mehr als 300’000 neue Stellen geschaffen, nachdem sich das Jobwachstum 2023 wie von der Notenbank erhofft abgekühlt hatte. Inzwischen bessert sich sogar die Laune der Konsumenten wieder. Sie hatten zuvor die gute Stimmung in weiten Teilen der Wirtschaft wegen des teuren Benzins und der Inflation nicht geteilt.
Gut möglich, dass der Höhenflug durch die expansive Fiskalpolitik und den demografisch bedingten Arbeitskräftemangel künstlich verlängert wird und der Absturz und der Kater danach umso grösser ist. Aber daraus eine Prognose abzuleiten, wäre vermessen. Es ist nur ein mögliches Szenario.
Genau das ist die Lehre aus den jüngsten Fehlprognosen: Die Zukunft ist ungewiss und das verlangt von den Ökonomen ein gesundes Mass an Bescheidenheit, auch wenn das die Medien nicht gerne sehen und nur zugespitzte Formulierungen gehört werden.
Der Rat an alle anderen ist: Vertrauen Sie keiner Prognose, die über sechs Monate hinausgeht. Und seien Sie besonders vorsichtig, wenn etwas so offensichtlich erscheint. Makroökonomie ist keine exakte Wissenschaft. Es gibt kein Labor, in denen die Modelle getestet werden können. Und die Modelle selbst bilden nicht die Realität ab, sondern sie vereinfachen, um komplexe Zusammenhänge verständlich zu machen.