Wegen der Schuldenpolitik der Regierung in Rom geht die EU-Kommission gegen Italien vor. Wie die Behörde am Mittwoch mitteilte, hält sie angesichts der sich verschlechternden Haushaltslage und Gesamtverschuldung die Einleitung eines Defizitverfahrens für gerechtfertigt.

Italien ist nach dem langjährigen Krisenstaat Griechenland das am höchsten verschuldete EU-Mitglied. Im vergangenen Jahr wuchs der Schuldenberg des Landes auf 132,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). In absoluten Zahlen hat Italien mehr als 2,3 Billionen Euro Schulden.

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Nach den sogenannten Maastricht-Kriterien sind in der EU aber eine jährliche Neuverschuldung von maximal drei Prozent und eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubt.

«Wir sehen bei der italienischen Wirtschaft die Schäden der jüngsten Entscheidungen», sagte Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel. Die EU-Kommission kann das Verfahren gegen Italien jedoch noch nicht eröffnen. Zuerst müssen die EU-Finanzminister noch zustimmen.

Tun sie das, wäre dies mit konkreten Vorgaben und Auflagen für Italien verbunden, die Schulden zu senken. Ignoriert die Regierung in Rom diese weiterhin, können Geldstrafen folgen.

Schuss vor den Bug

Bereits Ende vergangenen Jahres hatte die EU-Kommission Italien mit einem Verfahren gedroht. Nachdem Rom jedoch versprochen hatte, auf rund zehn Milliarden Euro Ausgaben zu verzichten, legten beide Seiten ihren Streit vorerst bei.

Doch schon damals hatte Brüssel Zweifel an der Belastbarkeit der Zusagen aus Rom. Denn dort regiert seit Sommer 2018 eine Koalitionen aus der weit rechts stehenden Lega und der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung. Sie hatte im Wahlkampf eine Abkehr vom Sparkurs versprochen und will Sozialausgaben erhöhen und Steuern senken.

Italiens Finanzlage sei im vergangenen Jahr «in zwei Bereichen problematisch» gewesen, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Mittwoch. Anstatt seine Gesamtverschuldung zu reduzieren, sei diese von 131 auf 132 Prozent gestiegen. Zudem habe Rom auch bei seinem strukturellen Haushaltsdefizit Empfehlungen der Euro-Partner nicht umgesetzt.

Im Jahr 2020 werde zudem erwartet, dass das Haushaltsdefizit insgesamt bei 3,5 Prozent liege und damit über der EU-Vorgabe von maximal drei Prozent, erklärte Moscovici weiter. Die Gesamtverschuldung könnte laut EU-Kommission bis 2020 auf 135,7 Prozent steigen. «Auf dieser Grundlage (...) sind wir zu dem Schluss gekommen, dass das Schuldenkriterium derzeit nicht eingehalten wird», sagte Moscovici.

In dem nun von Brüssel empfohlenen Verfahren könnte Rom am Ende eine Geldbusse von 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung drohen. Dies wären 3,5 Milliarden Euro. Allerdings hat die EU bisher letztlich immer auf Geldstrafen gegen Mitgliedstaaten verzichtet, die gegen die Haushalts- und Verschuldungsvorgaben verstiessen.

Kritik zurückgewiesen

Italiens Vizepremierminister und Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung Luigi Di Maio erklärte sich zu Dialogbereitschaft mit Brüssel in Sachen Verschuldung bereit: «Italien ist ein Land, das sein Wort hält.»

Es sei aber lästig, «dass man jeden Tag einen neuen Grund findet, um über Italien und diese Regierung schlecht zu sprechen», kommentierte er am Mittwoch auf Facebook.

An den von der Regierung verabschiedeten Reformen - unter anderem Grundeinkommen und Pensionsreform - will er zudem festhalten. Für die hohe Verschuldung machte Di Maio die Vorgängerregierung verantwortlich. Diese sei vor allem in den Jahren 2017 und 2018 gestiegen, als eine Mitte-Links-Regierung im Amt war.

«Seit Jahren zahlt Italien Europa mehr, als es zurückbekommt.» Seit Jahren würde Italien in Sachen Migration total ignoriert. «So geht es nicht, so ist es zu einfach!», schrieb der 32-jährige weiter.

Andere EU-Länder, die Italien attackieren, hätten zudem mehr Defizit als von den EU-Verträgen erlaubt, argumentierte Di Maio. Es sei unerhört, dass ein Land wie Italien mit sechs Millionen Arbeitslosen kritisiert werde, weil es in Wachstum, Beschäftigung und Senkung des Steuerdrucks investieren wolle.

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger räumte ein zögerliches Handeln seiner Behörde ein. «Wir hätten bei einigen Ländern in der Eurozone früher eingreifen müssen, weil die Neuverschuldung zu stark zugenommen hat», sagte er der deutschen Zeitung «Wirtschaftswoche». «Nun ist es bei Italien eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf».

(reuters/mlo)