Trotz der zu Jahresbeginn weiter gestiegenen Inflation bleibt eine Zinswende in der Euro-Zone aus. Die Europäische Zentralbank (EZB) beliess den geldpolitischen Schlüsselsatz am Donnerstag – wie allgemein erwartet – auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Zugleich müssen Finanzinstitute weiterhin Strafzinsen berappen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parkieren.

Die Teuerungsrate in der Euro-Zone werde vor allem kurzfristig noch hoch bleiben, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Frankfurt: «Die Inflation wird wahrscheinlich noch länger als bisher gedacht erhöht bleiben, aber sich abschwächen im Laufe dieses Jahres.» Die hohen Energiepreise erwiesen sich als hartnäckig. Aber auch die Lebensmittelpreise kletterten deutlich.

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Die überraschenden Sprünge im Januar hätten im EZB-Rat «übereinstimmend Sorge ausgelöst», so die Präsidentin. Auf eine entsprechende Journalistenfrage wollte sie die – früher gemachte – Aussage nicht wiederholen, dass 2022 eine Zinserhöhung unwahrscheinlich sei.

«Der EZB-Rat riskiert inzwischen, die Reputation dieser Institution ernsthaft zu beschädigen.»

Friedrich Heinemann, ZEW Mannheim

«Innerhalb der EZB dürfte die Nervosität zunehmen», kommentiert Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank: «Zwar kann die EZB gegen steigende Energiepreise und Preiserhöhungen aufgrund gestörter Lieferketten nichts unternehmen, doch sie kann ein Signal setzen, dass man in Frankfurt bereit ist, etwaigen Zweitrundeneffekten entgegenzutreten.»

Worum geht's eigentlich?

Auch Friedrich Heinemann vom ZEW Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim erwartet, dass ein Kurswechsel früher oder später ansteht: «Die Zinspolitik und Wertpapierkäufe der EZB wirken inzwischen wie aus der Zeit gefallen. Europas Zentralbank betreibt im Grunde immer noch eine Politik der Deflationsbekämpfung, obwohl Europa den stärksten Inflationsschub seit Einführung des Euro erlebt und auch die Inflationserwartungen klettern. Der EZB-Rat riskiert inzwischen, die Reputation dieser Institution ernsthaft zu beschädigen.

Immer mehr Beobachter der Geldpolitik fragten sich, ob die EZB wirklich noch der Preisstabilität oberste Priorität einräumt. Mit dem rigiden Festhalten an einem extrem lockeren Kurs wachse der Verdacht, dass eine Mehrheit im EZB-Rat von ganz anderen Zielen getrieben sei – etwa der leichten Finanzierbarkeit hoher Staatsdefizite. 

Zustimmend äussert sich hingegen der Ökonom Alexander Krüger vom Bankhause Hauck Aufhäuser Lampe: «Die EZB hat sich von der Inflationspanik nicht anstecken lassen. Ihren geldpolitischen Beschlüssen zufolge macht sie weiter wie bisher. Für ein schnelleres Zurückfahren an geldpolitischer Unterstützung bedarf es deutlich höherer Inflationsprojektionen für 2023/24.»

Die Bank of England forciert die Zinswende

Die britische Notenbank hat ihren Leitzins derweil erneut angehoben. Der Leitzins steigt um 0,25 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent, wie die Bank of England am Donnerstag nach der Sitzung des geldpolitischen Ausschusses in London mitteilte.

Analysten hatten mit dem Schritt im Schnitt gerechnet. Es ist die zweite Zinsanhebung auf der Insel in der Corona-Pandemie. Eine erste Straffung hatten die Währungshüter Ende vergangenen Jahres vorgenommen. Hintergrund der strafferen Ausrichtung ist die hohe Inflation im Vereinigten Königreich.

Der EZB-Rat meinte dazu, er stehe bereit, «alle seine Instrumente» bei Bedarf anzupassen – und sicherzustellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei seinem Zielwert von 2,0 Prozent stabilisiert.

Die Teuerung im EZB-Raum war im Januar unerwartet auf 5,1 Prozent geklettert. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Statistik 1997. Experten hatten hingegen einen Rückgang der Inflation auf 4,4 von 5,0 Prozent im Dezember erwartet. Damit entfernt sich die Rate immer weiter vom mittelfristigen EZB-Ziel einer Inflationsrate von zwei Prozent.

Bislang gehen die Währungshüter davon aus, dass sich die Inflation in der Euro-Zone im Jahresverlauf deutlich abschwächen wird. Ihre Ökonomen prognostizierten zuletzt, dass die durchschnittliche Rate dieses Jahr bei 3,2 Prozent liegen wird. Für 2023 und 2024 werden jeweils 1,8 Prozent erwartet. Neue Projektionen der EZB-Volkswirte werden erst wieder zur Sitzung im März erwartet.

(reuters/mbü)

(awp/«Reuters», mbü)