Die Wirtschaft des Euroraums steuert ausnahmsweise auf eine stärkere Erholung von einer Krise zu als die der USA, was auf die markant unterschiedliche Reaktion auf das Coronavirus zurückzuführen ist.
Amerikas Unfähigkeit, die Pandemie in den Griff zu bekommen, bremst den Aufschwung. Indes ist es in vielen ehemaligen Viren-Hotspots in Europa gelungen, die wirtschaftliche Aktivität wieder ohne einen erneuten Anstieg der Infektionen aufzunehmen.
Entscheidend für eine nachhaltige Erholung ist das Vertrauen, dass das Virus nicht mehr ausser Kontrolle ist. Der relative Erfolg Europas kann dazu beitragen, dass Konsumenten Geld ausgeben und Unternehmen investieren, was die Nachfrage und das Wachstum weiter vorantreibt. Die Region schneidet auch besser ab beim Schutz der Arbeitsplätze und Einkommen, zumindest für den Moment. So haben Kurzarbeitsprogramme Millionen von Arbeitnehmern in ihren Jobs gehalten.
«Steilere Erholung im Euroraum»
Laut JPMorgan Chase & Co. wird Europa besser abschneiden, weil es die Kette durchbrochen hat, die Mobilität und Virus miteinander verbunden hat. Goldman Sachs Group Inc. hat eine wirksame Viruskontrolle als einen Grund für die Erwartung einer «steileren und gleichmässigeren Erholung im Euroraum als anderswo» angeführt.
«Es ist absolut klar, dass der Euroraum stärker eingebrochen ist, aber wir erwarten auch, dass er sich stärker erholt», sagte Jari Stehn, Chefökonom Europa bei Goldman Sachs. «Es ist ziemlich selten, dass die Eurozone über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren stärker als die USA wächst.»
Seit 1992 hat das Wachstum der USA das im Euroraum in allen Jahren bis auf acht übertroffen, geht aus IWF-Daten hervor.
Angesichts der aggressiven Lockdowns wird der Euroraum im zweiten Quartal voraussichtlich stärker schrumpfen als die USA, was sich in den BIP-Zahlen in dieser Woche zeigen wird.
Minus 35 Prozent in den USA
Laut einer Bloomberg-Umfrage ist die Wirtschaft des Euroraums in den drei Monaten bis Juni wahrscheinlich um 12 Prozent geschrumpft. Die US-Kontraktion wird auf Jahresbasis auf einen Rückgang von 35 Prozent oder ein Minus von rund 10 Prozent gegenüber dem Vorquartal prognostiziert.
Daten signalisieren jedoch, dass Europa schneller auf dem Weg der Besserung ist, und Bloomberg Economics schätzt, dass der Vorsprung in letzter Zeit zugenommen hat.
«Nachdem sie am härtesten getroffen waren, ist es ziemlich beeindruckend, dass Europa sich unserer Ansicht nach vollständiger erholen wird», sagte Bruce Kasman, Chefökonom bei JPMorgan. «Sie haben diese Verbindung unterbrochen - die Mobilitätszahlen steigen» ohne ein Wiederaufflackern des Virus, dank besserer Kontaktverfolgung, Maskenpflicht und sozialer Distanzierungsmassnahmen, sagte er.
Kräftige Erholung des Euroraums 2021
JPMorgan geht davon aus, dass die Wirtschaft des Euroraums in diesem Jahr um 6,4 Prozent schrumpfen wird, was etwas schlimmer ist als der erwartete Rückgang von 5,1 Prozent in den USA. Für 2021 prognostiziert die Bank jedoch eine Erholung des Euroraums um 6,2 Prozent, was mehr als das Doppelte des erwarteten amerikanischen Wachstums von 2,8 Prozent wäre.
Die Divergenz spiegelt sich auch an den Märkten wider. Europäische Aktien und Anleihen profitieren dank der Einigung der EU auf ein historisches Paket von 750 Milliarden Euro von einer erneuten Beliebtheit bei den Anlegern. Der Euro ist in den letzten zwei Monaten gegenüber dem Dollar um mehr als 6 Prozent gestiegen und dieser Trend könnte noch anhalten.
(bloomberg/mlo)