Der auf geographische Daten spezialisierte Analyst Pierre Dessemontet schätzt die Zahl der Coronavirus-Betroffenen deutlich höher als die vom Bund publizierten. In Wirklichkeit dürften es derzeit rund 10'000 Fälle sein, sagte er in einem Interview der «La Liberté», «Le Courrier» und dem Onlineportal Arcinfo.
Dessemontet geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele erkrankte Menschen würden sich gar nicht erst melden, weil sie sich überhaupt nicht bewusst seien, dass sie angesteckt wurden und auch andere Menschen ansteckten.
Dessemontet stützt sich auf eine am vergangenen Dienstag auf der Onlineseite Medium.com veröffentlichte Studie mit dem Titel «Coronavirus: Why you must act now» (Englisch).
Die viel höher geschätzte Zahl der Erkrankungen sei das Resultat einer seriösen Statistikarbeit. Sie basiere auf der Zahl der Todesopfer unter Berücksichtigung der Bedingungen und der Qualität des Gesundheitssystems in jedem Land. Diese Zahl könne je nach Qualität der von den Behörden angegebenen Antworten im Verhältnis eins zu drei oder eins zu vier höher liegen.
Der Infektiologe Andreas Widmer vom Universitätsspital Basel warnt vor einem «drohenden Tsunami im Gesundheitswesen». Bei einer so grossen Anzahl von Infektionen, wie sie momentan Italien erlebe, sei jedes Gesundheitssystem überfordert, sagte er in einem Interview der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ).
«Wenn sich die Menschen wirklich an die jetzt ausgegebenen Verhaltensmassregeln halten, dann liegen hoffentlich maximal fünf bis zehn Coronavirus-Patienten auf der Intensivstation pro Klinik. Das können Ärzte und Pflegepersonal mit Ach und Krach noch bewältigen», sage Widmer weiter.
Im Kanton Tessin werden nun auch alle obligatorischen Schulen vom Kindergarten über die Primarschulen bis zur Oberstufe geschlossen. Dies gab der Tessiner Regierungsrat am Freitag bekannt.
Singapur erliess am Freitag ein Einreiseverbot für Passagiere, die sich in den vergangenen 14 Tagen in Deutschland, Italien, Spanien oder Frankreich aufgehalten haben. Das Gesundheitsministerium ruft zudem dazu auf, auf alle nicht notwendigen Reisen in diese Länder zu verzichten. Ausserdem wird der Hafen für Kreuzfahrtschiffe geschlossen.
Nach den Flughäfen hat das EU- und Schengenland Slowakei wegen der Coronavirus-Pandemie auch seine Grenzen für Reisende auf Strassen und Schienen dichtgemacht. Seit Freitagmorgen um sieben Uhr werden die Grenzübergange zu allen Nachbarländern ausser Polen streng kontrolliert.
Wer keinen Wohnsitz im Land nachweisen kann oder über einen gültigen slowakischen Reisepass verfügt, muss draussen bleiben. Ab dem Morgen wurden daher auch die internationalen Zug- und Busverbindungen in die Nachbarländer stillgelegt, nur Güterzüge dürfen weiterhin fahren.
Tschechien schloss seine Grenzen für alle Schweizer, die keinen festen Wohnsitz in dem EU-Mitgliedstaat haben. Die Massnahme gelte auch für Ausländer aus Deutschland, Italien, Spanien, Österreich, Schweden, Norwegen, den Niederlanden, Belgien, Grossbritannien, Dänemark und Frankreich, erklärte Ministerpräsident Andrej Babis nach einer Krisensitzung am Donnerstag.
Er stufte diese Staaten als Risikogebiete für eine Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus ein. In Tschechien gibt es bisher 96 bestätigte Fälle einer Infektion mit dem Virus. Am stärksten betroffen ist die bei Touristen beliebte Hauptstadt Prag.
Zugleich rief das Kabinett in Prag mit sofortiger Wirkung für zunächst 30 Tage den nationalen Notstand aus. Grund sei die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung. Auch Reisende aus China, Korea und dem Iran erhalten ein Einreiseverbot.
Die USA verhängten ein 30-tägiges Einreiseverbot für Reisende aus Europa.
Das Einreiseverbot gilt für den Schengen-Raum. Somit sind 26 europäische Länder davon betroffen, darunter auch die Schweiz, Österreich, Deutschland und Italien.
Die überraschende Massnahme im Kampf gegen die Coronavirus-Epidemie solle von Freitag-Mitternacht an gelten, sagte US-Präsident Donald Trump in seiner Ansprache zur Eindämmung der Ansteckungswelle.
Grossbritannien ist von den Einschränkungen ausgenommen.
Ein EU-Diplomat erklärte, man sei nicht vorab über die Massnahme informiert worden.
China hat laut Angaben der Pekinger Gesundheitskommission den Höhepunkt der Coronavirus-Ausbreitung überschritten. «Insgesamt ist der Höhepunkt der aktuellen Epidemie in China überschritten», sagte ein Sprecher der Kommission am Donnerstag.
Die Zahl neuer Infektionen mit Sars-CoV-2 gehe immer weiter zurück. Tatsächlich hat China in den vergangenen Tagen laut der offiziellen Statistik deutlich weniger Neuinfektionen und Todesfälle gemeldet.
Inwieweit die offizielle Statistik die wahre Lage widerspiegelt und wie hoch die Dunkelziffer nicht erfasster Fälle ist, ist unklar. Seit einer Änderung der Zählweise Mitte Februar hat sich der täglich berichtete Anstieg der neuen Infektionen mit Sars-CoV-2 und der Todesfälle in der amtlichen Auflistung spürbar reduziert.
So werden nach Medienberichten beispielsweise Personen, die nachweislich infiziert sind, aber keine Symptome der Covid-19 genannten Krankheit zeigen, seit Anfang Februar nicht mehr bei den neu nachgewiesenen Ansteckungen mitgerechnet, sondern anderweitig aufgeführt. Solche Personen können auch ansteckend sein.
Auch wurden klinische Diagnosen ausgenommen. Dabei stellt der Arzt nur anhand der Symptome oder Vorgeschichte des Patienten die Infektion fest, ohne dass ein DNA-Test gemacht wird. Experten befürchten zudem, dass es spätestens mit der Aufhebung der strikten Abschottungsmassnahmen zu einem erneuten Anstieg der Fallzahlen kommen wird.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Verbreitung des neuartigen Coronavirus als Pandemie eingestuft.
Angesichts der weltweiten Ausbreitung des Erregers sei er «tief besorgt» über das «alarmierende Niveau der Untätigkeit» im Kampf gegen das Virus, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch in Genf.
Tedros kritisierte dabei mangelndes Handeln durch die Staaten weltweit. «Wir haben die Alarmglocken laut und deutlich geläutet», erklärte der WHO-Chef.
«Dass wir die Situation nun als Pandemie bezeichnen, ändert nichts an der Beurteilung der WHO hinsichtlich der Bedrohung durch dieses Virus», betonte Tedros. «Es ändert auch nichts daran, was die WHO macht. Und es ändert auch nichts daran, was die Länder tun sollten.»
Es gibt keine offiziellen Kriterien der WHO, ab wann ein Krankheitsgeschehen als Pandemie einzuordnen ist. Landläufig wird darunter eine Krankheit verstanden, die sich unkontrolliert über Kontinente hinweg ausbreitet.
Die Corona-Krise wirkt sich auf Lieferengpässe für Waren aus China aus: Davon sind der Schweizer Handel und einzelne Branchen wie die Baubranche betroffen, meldet der Verband «Handel Schweiz» am Mittwoch.
Der Import von Kameras, Baumaschinen oder etwa Bodenplatten sei verzögert, heisst es. Es fehle zudem an Ersatzteilen für Baumaschinen, was Reparaturen verlangsamen könnte. Bis jetzt kann der Schweizer Handel die meisten Engpässe aber noch mit Händlern aus anderen Ländern kompensieren. Doch wie lange noch?
Auch der Schweizer Handel verzeichnet unterbrochene Lieferketten aus China und Italien. Das führt bisher zu Lieferengpässen in den Bereichen Elektronik, Rohmaterialien für die Kunststoffherstellung oder seltene Erden. So sind heute einzelne Geräte wie Kameras, Handys und PC-Komponenten bereits von Lieferverzögerungen betroffen.
Von flächendeckenden Schulschliessungen wegen des sich ausbreitenden Coronavirus hält das Bundesamt für Gesundheit (BAG) nichts. Eine gefährliche Vermischung der jüngeren, wenig anfälligen Generation mit der Risikogruppe der Älteren würde dadurch eher gefördert, hiess es am Mittwoch.
Die Schulkinder würden entweder von ihren Grosseltern betreut werden, oder sie würden womöglich ihre freie Zeit im Quartier verbringen und andere Menschen treffen. Das fördere die Ausbreitung des Virus, sagte Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung und Internationale Zusammenarbeit im BAG vor den Medien in Bern.
Das gilt aber nicht für den südlichen Kanton: Die Tessiner Regierung schliesst alle privaten und öffentlichen Schulen im Kanton, welche eine Ausbildung nach der obligatorischen Schulzeit anbieten. Das teilte sie am Mittwoch an einer Medienkonferenz mit.
Von ursprünglich insgesamt 13 Millionen gelagerten Schutzmasken seien in der Schweiz noch rund 7 Millionen lieferbar, allerdings bestehe keine Notwendigkeit, diese in der Bevölkerung massenhaft zu tragen.
Von Ansteckungen Schweizer Staatsangehöriger im Ausland hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) keine Kenntnis, wie Hans-Peter Lenz, Chef des Krisenmanagement-Zentrums im Departement, sagte. Kritik an der späten Anpassung der Reisehinweise zu Italien wies er zurück. Man habe zahlreiche weitere Länder in die Beurteilung miteinbeziehen müssen, sagte er.
Schweizer im Ausland würden weiterhin bei ihren Rückkehrbemühungen unterstützt - zum Beispiel aus dem Iran, wo das Coronavirus sich rasant ausgebreitet hat. Die Rückführungen aus Nordkorea könnten allerdings derzeit nicht weitergeführt werden, so Mathys.
Der Personen-Zugverkehr von und nach Italien über die österreichische Grenze ist eingestellt. «Wir folgen den Anweisungen der Behörden», sagte ein Sprecher der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) am Mittwoch.
Als vorläufig letzter Zug habe am Vormittag ein Eurocity aus Italien in Richtung Innsbruck und München die Grenze passiert. Nicht betroffen sei der Güterverkehr.
Die im Kampf gegen das Coronavirus angekündigten Kontrollen des Autoverkehrs an der Grenze zu Italien sollten am Mittwoch beginnen. Am Vormittag liefen die «aufwendigen Vorbereitungen», sagte Polizeisprecher Stefan Eder.
Für die Kontrollen seien «bauliche Massnahmen» erforderlich, unter anderem müssten Leitplanken abmontiert werden. Zudem sei zu klären, wohin die Fahrzeuge jeweils geleitet werden und wie genau mit zu erwartenden Staus umgegangen wird. Eine genaue Startzeit für die Kontrollen nannte er nicht.
Die österreichische Regierung hatte am Dienstag weitere Massnahmen im Kampf gegen das Coronavirus angekündigt. Kontrollen an der Grenze zum südlichen Nachbarland Italien werden dadurch in nächster Zeit wieder zur Normalität.
Fast niemand aus Italien darf mehr aus beruflichen oder privaten Gründen zu Zielen in Österreich fahren.
Für Touristen, die jetzt noch in Italien sind, gilt: Die Durchreise durch Österreich ist möglich - aber ohne Stopp. Die Massnahmen gelten zunächst bis 3. April.
Allerdings deutete Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Mittwoch schon an, dass die Einschränkungen des sozialen Lebens auch Monate dauern könnten.
Zehn bis 20 Prozent weniger Reisende in den Bahnhöfen, kaum Schlangen an den Check-in-Schaltern am Flughafen, keine Billette in Postautos und desinfizierte Zürcher Busse: Die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie zeigen sich immer stärker auch im öffentlichen Verkehr in der Schweiz.
Die SBB zählten wegen der Coronavirus-Epidemie zur Zeit zehn bis 20 Prozent weniger Reisende in den Schweizer Bahnhöfen und Zügen, wie CEO Andreas Meyer am Dienstag an seiner letzten Bilanzmedienkonferenz mitteilte. Nach Italien sei die Zahl der Reisenden um 90 Prozent eingebrochen, nach Frankreich um 60 Prozent.
Diese Entwicklung bedeute für das Bahnunternehmen Mindereinnahmen von rund einer halben Million Franken pro Tag.
Zum Schutz der Angestellten und der Reisenden vor dem Coronavirus planen die SBB nun, bei den Verkaufsstellen Plexiglasscheiben anzubringen, wie SBB-CEO Andreas Meyer vor den Medien sagte. Desinfektionsmittel an den Bahnhöfen aufzustellen, würde ihre Möglichkeiten jedoch übersteigen.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hatte am Freitag empfohlen, dass Angestellte wenn immer möglich im Home Office arbeiten und Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Stosszeiten nach Möglichkeit vermeiden sollten. Ausserdem sollte auch der Freizeitverkehr reduziert werden.
Gemäss BLS hat das Zugpersonal auf der Linie Brig-Domodossola seither einen deutlichen Rückgang im Freizeitverkehr beobachtet. Der Pendlerverkehr auf der gleichen Strecke hingegen sei «nicht signifikant» betroffen, sagte BLS-Sprecherin Helene Soltermann auf Anfrage. Für konkrete Zahlen zu den Auswirkungen der Epidemie auf den gesamten BLS-Verkehr sei es noch zu früh.
Auch beim städtischen Verkehr ist man vorsichtig: In Basel gibt es noch keine Angaben zu den Konsequenzen auf das Fahrgastaufkommen, wie der Sprecher der Basler Verkehrs-Betrieb mitteilte. Das Berner Verkehrsunternehmen Bernmobil will konkrete Zahlen zum 1. Quartal erst nach Ende März bekannt geben. Und auf den Verbindungen der Genfer Transport publics genevois (TPG) wurde bis jetzt noch gar kein Rückgang festgestellt, wie es auf Anfrage hiess.
Postauto seinerseits reagierte auf die Epidemie, indem das Unternehmen seine Fahrerinnen und Fahrer anwies, ab Mittwoch vorübergehend keine Tickets in den Bussen mehr zu verkaufen. Als weitere Schutzmassnahme bleibe die vordere Türe der Postautos geschlossen, teilte Postauto am Dienstag mit.
Auch in den Bussen des Zürcher Verkehrsverbunds und der Stadtluzerner Verkehrsbetrieben (VBL) soll fortan die vorderste Tür bei Bussen geschlossen bleiben. In Zürich würden die Fahrzeuge ausserdem verstärkt gereinigt und desinfiziert und es gelte ein Mindestabstand zum Fahrpersonal, hiess es.
Wie Postauto stellte auch die VBL den Ticketverkauf durch das Fahrpersonal ein und wies ihre Angestellten an, den Swiss Pass nicht mehr in die Hand zu nehmen. Das Unternehmen geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Passagierzahlen in den Hauptverkehrszeiten eher rückläufig sind. Genau Zahlen allerdings liegen auch hier nicht vor.
Am Flughafen Zürich herrscht in diesen Zeiten ungewohnte Ruhe. «Es wird deutlich weniger geflogen, auch Konsumstimmung herrscht keine», sagte Flughafen-Chef Stephan Widrig am Dienstag vor den Medien. Das Coronavirus treffe den Flughafen Zürich stark. Die Herausforderung sei, den Betrieb trotzdem jederzeit zu gewährleisten.
Denn nach wie vor gebe es bis zu 60'000 Passagiere pro Tag. Auch was allfällige neue Auflagen betrifft, muss der Flughafen flexibel sein und jederzeit genügend Personal einsetzen können. Aktuell wird den ankommenden Passagieren zwar noch nicht die Temperatur gemessen. Der Flughafen wäre aber per sofort dazu in der Lage, sofern der Bund diese Massnahme anordnen würde.
Mit einem Hilfsfonds über 25 Milliarden Euro stemmt sich die EU gegen die Coronavirus-Krise. Das Geld soll in anfällige Wirtschaftsbranchen fliessen, um die konjunkturellen Folgen der Epidemie abzumildern.
Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstagabend nach einer Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs, EU-Ratspräsident Charles Michel und EZB-Chefin Christine Lagarde an.
Michel sagte: «Wir sind bereit, von allen notwendigen Instrumenten Gebrauch zu machen.»
Auch die USA arbeiten an einem grossangelegten Konjunkturpaket, das unter anderen massive Steuererleichterungen beinhalten soll.
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(sda/awp/reuters/mbü/gku)