In der Corona-Krise legen Europas Währungshüter vorerst nicht nach. Trotz bedenklich niedriger Inflation und des Konjunktureinbruchs beliess die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins im Euroraum auf Rekordtief.
Volkswirte schliessen aber nicht aus, dass die EZB ihr Notkaufprogramm bis zum Jahresende noch einmal aufstocken könnte. Die EZB steckt ausserdem im Rahmen ihres Notkaufprogramms unverändert 1,35 Billionen Euro in Staats- und Unternehmensanleihen bis mindestens Ende Juni 2021, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte.
EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte erst kürzlich vor einer zu optimistischen Einschätzung der aktuellen konjunkturellen Erholung nach dem Corona-Einbruch gewarnt. Der jüngste weltweite Anstieg der Neuinfektionen werde die Konsumlaune und die Stimmung in den Unternehmen noch für einige Zeit belasten, sagte Lane.
Er machte deutlich, dass es noch einige Zeit dauern werde, bis sich die Wirtschaft vollständig von der Corona-Krise erholt haben werde. Daher sei weiterhin eine deutliche Unterstützung durch staatliche Hilfsmassnahmen und durch die Geldpolitik notwendig.
Hilfe für Staaten und Firmen
Die Wertpapierkäufe der Notenbank helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen für ihre Papiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als grosser Käufer am Markt auftritt.
Anfang Juni hatten die Währungshüter im Kampf gegen die dramatischen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ihr Kaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) um 600 Milliarden Euro auf 1,35 Billionen Euro fast verdoppelt. Die Mindestlaufzeit wurde um ein halbes Jahr verlängert.
Hauptziel der EZB ist ein ausgewogenes Preisniveau bei einer mittelfristigen Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent. Die Inflation liegt allerdings seit geraumer Zeit deutlich entfernt von diesem Zielwert.
EZB im Anti-Krisen-Modus
Europas Währungshüter sind daher seit Jahren im Anti-Krisen-Modus. Die seit März 2015 mit Unterbrechung laufenden anderen Kaufprogramme der Notenbank für Anleihen hatten mit gut 2,9 Billionen Euro Ende August bereits ein gewaltiges Volumen erreicht.
In der Corona-Krise hat sich der Trend zu schwachen Teuerungsraten verstärkt. Im August sanken die Verbraucherpreise in der Eurozone zum ersten Mal seit 2016 wieder. Die Inflationsrate fiel nach einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat auf minus 0,2 Prozent. Im Juli hatte die Rate noch bei plus 0,4 Prozent gelegen.
Sinkende Verbraucherpreise sind ein potenzielles Risiko für die Konjunktur. Sie können eine Abwärtsspirale auslösen, wenn Verbraucher und Unternehmen auf weiter fallende Preise spekulieren und Investitionen immer weiter nach hinten schieben.
Auch der stärkere Euro, der insbesondere gegenüber Dollar zugelegt hat, kann auf die Inflation drücken. Dadurch verbilligen sich Einfuhren in den gemeinsamen Währungsraum. Nach Einschätzung von Volkswirten der Landesbank Helaba bleibt die Ausweitung des Notkaufprogramms als Option bestehen, auch um einer weiteren Aufwertung des Euro entgegenzuwirken.
(awp/mlo)