EZB-Präsidentin Christine Lagarde fürchtet nach eigenen Worten nicht, dass höhere Lohnabschlüsse die Inflation weiter anheizen könnten. In den meisten Eurostaaten seien die Lohnforderungen ausgesprochen moderat, sagte die Französin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland in einem am Freitag veröffentlichten Interview.
Löhne orientierten sich grundsätzlich an der Produktivität und an den mittelfristigen Inflationserwartungen, die zurzeit etwa beim Ziel der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent lägen, sagte Lagarde.
«Erst wenn die Abschlüsse deutlich und anhaltend darüber hinausgehen, könnten sie den Inflationsprozess beschleunigen. Das sehen wir im Moment aber überhaupt nicht.» Es sei verständlich und legitim, wenn Gewerkschaften in dieser Lage höhere Löhne forderten, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu erhalten.
Gefährliche Zeitrundeneffekte
Experten beobachten die Lohnentwicklung aufmerksam, weil sich daraus Hinweise auf sogenannte Zweitrundeneffekte ergeben könnten: Wenn eine steigende Inflation zu höheren Tarifabschlüssen und damit Lohnkosten führt, kann dies wiederum die Teuerung anheizen.
Löhne und Preise würden sich also gegenseitig hochschaukeln und die Inflation verfestigen. Damit würde nicht nur das Geld der Konsumenten stärker entwertet, sondern es könnte auch negative Auswirkungen auf Unternehmen und Arbeitsplätze geben.
Lagarde verteidigte in dem Interview erneut die Geldpolitik der EZB und sagte, man mache Fortschritte, das 2-Prozent-Ziel zu erreichen. «Das würde uns erlauben, einige unserer Interventionen zurückzunehmen. Das geht aber nur stufenweise.» Zugleich stimmte auch sie Konsumenten darauf ein, dass die Inflation in den kommenden Monaten relativ hoch bleibt. «Ich bin aber zuversichtlich, dass sie im Laufe des Jahres sinkt.»
(reuters/mbü)