Die Europäische Zentralbank (EZB) will am Zinserhöhungskurs festhalten. Der Preisdruck sei nach wie vor stark, und die Kerninflation, in der schwankende Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausgeklammert sind, sei immer noch hoch, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Mittwochabend im Europa-Parlament in Strassburg.
«Angesichts des zugrundeliegenden Inflationsdrucks haben wir vor, die Zinssätze auf unserer nächsten Sitzung im März um weitere 50 Basispunkte zu erhöhen, und wir werden dann den weiteren Kurs unserer Geldpolitik bewerten», führte sie aus. Die nächste Zinssitzung der Währungshüter ist für den 16. März geplant.
Fünf Mal in Folge die Schlüsselzinsen erhöht
Obwohl die Zuversicht steige und die Energiepreise gesunken seien, erwarte die EZB, dass die Wirtschaftstätigkeit in nächster Zeit schwach bleiben werde, sagte Lagarde. Die Euro-Notenbank hat seit der Zinswende im vergangenen Juli fünf Mal in Folge die Schlüsselzinsen erhöht. Was nach der für März in Aussicht gestellten erneuten Zinserhöhung um einen halben Prozentpunkt geschehen soll, ist noch unklar.
Die Inflation im Euro-Raum war zwar im Januar den dritten Monat in Folge dank eines sich abschwächenden Energiepreisschubs gesunken. Die Teuerung ging auf 8,5 Prozent zurück nach 9,2 Prozent im Dezember. Doch Lagarde machte den Abgeordneten klar: «Das ist viel zu hoch, daran besteht kein Zweifel.» Das mittelfristige Inflationsziel von zwei Prozent ist immer noch weit entfernt. Zudem verharrte die Kerninflation zuletzt bei 5,2 Prozent, was den Euro-Wächtern Sorge bereitet.
«Keine klaren Anzeichen dafür, dass eine Lohn-Preis-Spirale entsteht»
Die Löhne stiegen inzwischen schneller, unterstützt durch eine robuste Beschäftigungsdynamik, sagte Lagarde. Das Hauptthema bei Lohnverhandlungen sei die Frage, wie die Löhne die hohe Inflation bis zu einem gewissen Grad wieder aufholen könnten. «Gegenwärtig sehen wir keine klaren Anzeichen dafür, dass eine sich selbst unterstützende Lohn-Preis-Spirale entsteht, aber das könnte natürlich geschehen», sagte Lagarde. Und das würde die Inflation befeuern. Die EZB verfolge das daher sorgfältig.
Lagarde zufolge liegen die meisten Messgrössen für die längerfristigen Inflationserwartungen derzeit bei etwa zwei Prozent. Dennoch sollten diese Messgrössen weiter beobachtet werden, merkte Lagarde an. Die EZB achtet genau auf die langfristigen Inflationserwartungen. Denn sollten diese aus dem Ruder laufen, wird der Kampf der Notenbank gegen die hohe Inflation noch schwieriger.
(reuters/gku)
5 Kommentare
"Die Gesamtverschuldung im Verhältnis zum BIP liegt in den USA bei 293%, genauso wie im Euroraum – neue Rekordhochs. In Europa sticht Frankreich mit einer Quote von 371% negativ hervor. Frankreich ist eine grosse Volkswirtschaft und das schwächste Glied in der Währungsunion.
Es gibt keine Geldpolitik, die für Frankreich und Deutschland passend ist
– ein Land mit einer Gesamtschuldenquote von nur 209%."
Wäre Frankreich in der Lage, Zinserhöhungen durch die EZB zu
überstehen?
"Nein, die EZB wird die Zinsen nicht erhöhen, das würde Frankreich in
den Bankrott treiben. Vergessen Sie Griechenland oder Italien. Frankreich ist das Problem. Französische Unternehmen haben einen riesigen Schuldenberg. Aber Christine Lagarde ist viel mehr Politikerin als Zentralbankerin. Notenbankjobs sind Stellen für Politiker."
Russell Napier: «Ältere
Menschen werden schleichend
bestohlen»
Der unabhängige Marktstratege warnt vor der verschärften
Form der Finanzrepression. Die Welt werde für Investoren
auf den Kopf gestellt
"Deshalb kündigen
die Deutschen immer wieder ihre Positionen bei der EZB, da sie wissen, dass die Organisation politische Ziele verfolgen muss und nicht Preisstabilitätsziele. Lagarde weiss, dass Zentralbanker in einer Welt der Finanzrepression mehr oder weniger obsolet sind. Als Anwältin ist sie gefügig in der neuen Aufgabe, Schulden wegzuinflationieren, um politische Ziele zu verfolgen."
Russell Napier: «Ältere
Menschen werden schleichend
bestohlen»
Der unabhängige Marktstratege warnt vor der verschärften
Form der Finanzrepression. Die Welt werde für Investoren
auf den Kopf gestellt
Sie sagen, dass Politiker jetzt die Geldmenge kontrollieren. Was
wird dann die künftige Rolle der Zentralbanken sein? Russel Napier:
"Sie werden an den Rand gedrängt und sich primär
regulativen statt geldpolitischen Aufgaben widmen. Die
nächsten Jahre werden faszinierend sein: Stellen Sie sich
vor, Sie und ich leiten eine Zentralbank, und wir haben ein
Inflationsziel von 2%. Nun müssen wir zusehen, wie
unsere Regierung Geld mit einer Wachstumsrate von 12%
schöpft. Was werden wir tun? Werden wir unsere
demokratisch gewählte Regierung angreifen und mit
höheren Zinsen drohen?"
Paul Volcker tat es in den frühen Achtzigerjahren. Russel Napier:
"Ja, aber Paul Volcker hatte Mut. Ich glaube nicht, dass
irgendeiner der heutigen Zentralbanker diesen Mut haben
wird. Schliesslich werden die Regierungen argumentieren,
dass immer noch Notstand herrscht. Ich sehe eine Parallele
zu den Sechzigerjahren, als das Fed nichts gegen die
steigende Inflation unternahm, weil die USA einen Krieg in
Vietnam führten und die Regierung von Lyndon B.
Johnson das Great Society Project ins Leben gerufen hatte."
Ex-SNB-Chef Hildebrand warnt vor Inflations-Bekämpfung
Philipp Hildebrand: Der frühere SNB-Chef arbeitet heute für den Vermögensverwalter Blackrock.
Quelle: Keystone
Wer mit Zinserhöhungen die Teuerung bekämpfe, verwende veraltete Handbücher, sagt der Blackrock-Verwaltungsrat. Es drohe hohe Arbeitslosigkeit.
Von Michael Heim
am 28. Januar 2022
Philipp Hildebrand, der frühere Chef der Schweizerischen Nationalbank und heutige Blackrock-Verwaltungsrat, warnt vor übertriebenen geldpolitischen Schritten, um die Inflation zu bekämpfen. «Das alte Handbuch gilt nicht mehr», schreibt er in einem Gastartikel in der «Financial Times».
Die heutige Situation sei nicht mit dem berühmten «Volcker-Moment» der siebziger Jahre vergleichbar, als der damalige Fed-Chef Paul Volcker zu harten Massnahmen griff. Wer die Inflation von damals mit den aktuellen Teuerungsschüben gleichsetze, verstehe die Mechanik dahinter nicht, so das Fazit von Hildebrand. Heute befände sich die Welt in einer «fundamental anderen Situation».