Die Europäische Zentralbank (EZB) hat offenbar Anleihekäufe in Milliardenhöhe getätigt, um Italien und andere südliche Euro-Mitglieder vor unerwünschten Marktentwicklungen zu schützen, seit sie vor einem Monat ihre erste Verteidigungslinie gegen Spekulanten aktiviert hat.
Am Dienstag veröffentlichte Daten zeigen eine erhebliche Verwendung von Mitteln an, die durch fällig werdende Anleihen im Portfolio des Pandemieprogramms frei geworden sind. Das deutet darauf hin, dass das Instruments eingesetzt wurde, das die Notenbank als erste Reaktion auf Marktturbulenzen vorgesehen hat.
Anleihen für über 17 Milliarden Euro gekauft
Die Statistiken, die nur auf Zweimonatsbasis verfügbar sind, zeigen, dass die Nettobestände an deutschen, französischen und niederländischen Anleihen bis Juli um 18,9 Milliarden Euro gesunken sind. Die Nettoankäufe von Anleihen aus Italien, Spanien, Portugal und Griechenland beliefen sich auf insgesamt 17,3 Milliarden Euro.
Die Zahlen sind die ersten harten Daten, die die Intervention der EZB auf den Anleihemärkten aufzeigen, nachdem ein sprunghafter Anstieg der Anleiherenditen im Juni Präsidentin Christine Lagarde zur Einberufung einer Dringlichkeitssitzung gezwungen hatte, auf der sich die Vertreter auf die Notwendigkeit einer Reaktion einigten.
Deutschland, Frankreich und die Niederlande als Geber
«Es hat den Anschein, dass die EZB bereits ihre erste Verteidigungslinie aktiviert hat», sagte Christoph Rieger, Head of Rates bei der Commerzbank. «Dies ist bei weitem die grösste Reduzierung der deutschen Bestände seit Beginn der quantitativen Lockerung durch die EZB, und mehr als wir erwartet haben.»
In einem ersten Schritt einigten sich die Ratsmitglieder darauf, die fälligen Tilgungen ihres 1,66 Billionen Euro schweren Programms zum Ankauf von Vermögenswerten flexibel zu reinvestieren.
Um die Anleihekäufe zu organisieren, teilten sie den Euroraum in drei Kategorien ein: Geber, darunter Deutschland, Frankreich und die Niederlande, Empfänger, bestehend aus Italien, Griechenland, Spanien und Portugal, und so genannte Neutrale.
Erste Verteidigungslinie gegen Volatilität der Märkte
Lagarde bezeichnete diese Flexibilität als die erste Verteidigungslinie der EZB gegen eine Volatilität der Märkte, die die Übertragung der Geldpolitik gefährdet. Zudem steht im Hintergrund ein neu geschaffenes Instrument zum Ankauf von Schuldtiteln bereit, falls stärkere Interventionen notwendig werden sollten.
Italien steht im Fokus der Anleger, seit die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi im vergangenen Monat stürzte und Neuwahlen für Ende September auf die Tagesordnung gesetzt wurden.
(bloomberg/gku)