Die Europäische Zentralbank hat nochmals an der Zinsschraube gedreht, zum zehnten Mal in Folge. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt nun bei 4,5 Prozent, der massgeblich Einlagesatz bei 4 Prozent, dem höchsten Niveau seit Einführung des Euros.
Damit bestätigt die EZB mit Präsidentin Christine Lagarde, dass sie die Inflation immer noch als grösseres Problem wahrnimmt als die Rezessionssignale.
Lagarde schenkt dem Ist-Zustand mehr Aufmerksamkeit als der Richtung, in die sich die europäische Wirtschaft bewegt. Gewiss, die Inflation ist noch viel zu hoch im gesamten Euro-Raum, aber entscheidend ist auch die Veränderungsrate der Teuerung. Diese geht seit Monaten zurück, die disinflationären Kräfte werden stärker – die Lieferengpässe sind Geschichte, die Produzentenpreise fallen –, da ändert auch das Aufflackern der Ölpreise wenig.
Einmal mehr droht die EZB, «behind the curve» zu sein, sprich: den Entwicklungen einen Schritt hinterherzulaufen. So wie sie letztes Jahr viel zu lange mit der Straffung der Geldpolitik wartete, hält sie jetzt zu lange an der aggressiven Politik fest.
Lagarde erinnert damit ein Stück weit an ihren Vorvorgänger Jean-Claude Trichet, der während der US-Finanzkrise 2008 und auch in der Euro-Schuldenkrise 2011 quasi in die Rezession hinein die Zinsen erhöht hatte.
Die SNB dürfte der EZB folgen und die Zinsen erhöhen
Mit dem heutigen Entscheid sinken die Chancen, dass die Nationalbank nächste Woche den Zinserhöhungszyklus beendet. Stattdessen dürfte SNB-Chef Thomas Jordan den Anstieg des Leitzinses auf 2 Prozent verkünden.
Denn vom Mindset her sind sich Lagarde und Jordan sehr ähnlich. Das heisst: Die Inflation muss um jeden Preis im Keim erstickt werden. Lieber ein Stück zu weit gehen, als zu früh lockerzulassen.
Dass die Inflation hierzulande schon im Zielbereich unter 2 Prozent liegt, spielt dabei keine grosse Rolle. Sie könnte sich ja über Zweit- oder Drittrundeneffekte zu stark in den Köpfen festsetzen und ausser Kontrolle geraten, so die Befürchtungen der Notenbankerinnen und Notenbanker.
Und auch wegen der Zinsdifferenz schielt Jordan jeweils nach Frankfurt. Denn der Unterschied der Zinsen ist ein massgeblicher Treiber der Wechselkurse, welche wiederum die Inflation beeinflussen. Je grösser der Vorteil der (Real)-Zinsen, desto attraktiver die Währung und desto eher wertet sie sich auf.
Hätte die EZB heute stillgehalten, wäre der Zinsvorteil der Euro-Zone bei einem Alleingang der SNB geschrumpft.
Nun aber kann sich die SNB eine Zinserhöhung leisten, ohne dass sich dadurch der Zinsabstand verkleinert und so den Franken noch mehr stärkt.