1. Die Existenz vieler Firmen ist bedroht
Während sich die Wirtschaft nach dem Lockdown im Frühjahr wieder leicht erholt hat, dürfte die wirtschaftliche Krise in den kommenden Monaten bei den Menschen ankommen: Es drohen Entlassungen und Firmenpleiten – spätestens wenn die Notkredite des Bundes und die Kurzarbeit auslaufen.
Denn viele, insbesondere kleine Firmen, haben ihre finanziellen Reserven aufgebraucht. Der Wirtschaftsverband Economiesuisse schätzt, dass fünf bis 15 Prozent der Betriebe in der Gastronomie, der Hotellerie sowie der Mem-Industrie davon betroffen wären – ähnlich wie in der Event- und Reisebranche. Um dies zu verhindern, müsste sich der Geschäftsbetrieb zu normalisieren – sprich das Gegenteil eines Lockdowns.
Ein weiterer Lockdown würde die Existenz der gastgewerblichen Betriebe noch stärker gefährden. Bereits im der ersten Jahreshälfte sind gemäss Bundesamt für Statistik 33'000 Arbeitsplätze in der Branche verloren gegangen.
2. Massive Defizite bei SBB, Swiss und Co.
Während des Lockdowns im Frühjahr beförderte die SBB mehr als ein Drittel weniger Fahrgäste und fuhr im ersten Halbjahr einen Verlust von 419 Millionen Franken im Personenverkehr ein.
Eine zweite Covid-19 Welle und ein weiterer Lockdown würden das Defizit noch vergrössern. Bereits heute ist die Verschuldung der SBB aufgrund der Corona-Pandemie mit über 13 Prozent doppelt so hoch wie die vom Bund geforderten Höchstgrenze.
Auch den Flugverkehr legte die Corona-Krise fast komplett lahm. Airlines sind in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Swiss führte im gesamten ersten Halbjahr rund 60 Prozent weniger Flüge durch und flog einen Verlust von 266,4 Millionen Franken ein. Auch in den Sommermonaten erholte sich aufgrund von weltweiten Reiseeinschränkungen und Quarantäneregeln der Flugverkehr nicht.
Derzeit verliert die Swiss nach eigenen Angaben weniger als eine Million Franken pro Tag – auf dem Höhepunkt der Krise waren es täglich 3 Millionen täglich.
Kürzlich kündigte der abtretende Swiss-Chef an, in den kommenden zwei Jahren rund 1000 Stellen abzubauen. Die zahlreichen wieder eingeführten Quarantäneregelungen des Bundes seien für die Swiss wie ein zweiter Lockdown, sagte Klühr. Wenn diese noch monatelang weiterbestünden, werde die Swiss ein ernsthaftes Problem haben. Dann sind weitere Entlassungen nicht ausgeschlossen.
Eigentlich hatten die Spitäler alle Hände voll zu tun während der Corona-Krise. Doch mit dem Lockdown vom Frühjahr verordnete der Bund ein Behandlungs- und Operationsverbot von nicht dringenden Fällen bei anderen Krankheiten, damit genügend Personal und Infrastruktur für die Behandlung von Corona-Patienten zur Verfügung steht.
Die Schweizer Spitäler schätzen den finanziellen Schaden auf 1,4 bis 1,8 Milliarden Franken. Bis Ende des Jahres könnten sich die Verluste auf 2,6 Milliarden erhöhen.
3. Gigantische öffentliche Ausgaben
Die Arbeitslosenversicherung (ALV) belastet die Corona-Krise massiv: Fast 40 Prozent der Arbeitnehmer waren während des Lockdowns zeitweise in Kurzarbeit. Die Kurzarbeitsentschädigung wird aus der Arbeitslosenkasse bezahlt. Nun will der Bund die ALV mit bis zu 14 Milliarden Franken in diesem Jahr unterstützen.
Die soll Milliarden erhalten, damit wegen der Corona-Krise die Lohnbeiträge nicht erhöht werden müssen. Der Bundesrat will eine gesetzliche Grundlage legen für die Stützung mit bis zu 14,2 Milliarden im Jahr 2020 und auch für eine allfällige Finanzspritze im nächsten Jahr.
Zuletzt verlängerte der Bundesrat die Höchstdauer für den Bezug von Kurzarbeitsentschädigung von 12 auf 18 Monate. Die Zahl der Arbeitslosen-Taggelder wurde vorübergehend erhöht. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie haben rund 50'000 Menschen in der Schweiz ihren Job verloren. Ökonomen rechnen mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit, da die Folgen einer Wirtschaftskrise verzögert am Arbeitsmarkt ankommen.
Die Angst vor dem Corona-Winter: Ruf nach dem Bundesrat. Mehr hier.
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Und auch 2021 soll der Bund der ALV unter die Arme greifen können – sollte sie sich wegen der Corona-Pandemie massiv verschulden, um höhere Lohnabzüge zu verhindern. Stünde die Arbeitslosenversicherung bis Ende Jahr mit über 8 Milliarden Franken in der Kreide, müssten im nächsten Jahr die Lohnbeiträge erhöht werden. So sieht es ihre Schuldenbremse vor. Die Erhöhung würde bis zu 0,3 Prozentpunkte betragen.
Doch nicht nur die Kurzarbeitsentschädigung schlägt zu Buche. Bisher hat der Bund zur Bewältigung der Corona-Krise Ausgaben von 31 Milliarden Franken als Nachtragskredite sowie Verpflichtungskredite für Bürgschaften und Garantien von 42 Milliarden Franken beschlossen.
Aktuell beliefen sich sämtliche Kosten der Corona-Pandemie auf 25 bis 30 Milliarden Franken. Dass die Corona-Krise die Bundeskasse massiv belasten wird, war seit längerem klar. Nun liegt eine erste Hochrechnung für das laufende Jahr vor. Sie zeigt ein Finanzierungsdefizit von 20,9 Milliarden Franken. Unter dem Strich dürfte das Loch im ordentlichen Bundeshaushalt 3,1 Milliarden Franken betragen.
Im Jahr 2021 sollten die Corona-Massnahmen in das ordentliche Budget fliessen, weil sie vorhersehbar seien. Im Voranschlag sei etwa ein gleich grosser Betrag für die Corona-Tests vorgesehen. Für das nächste Jahr rechnet Maurer mit rund 15 Milliarden Franken Schulden.
Auch bei den meisten Kantonen reissen Corona-Krise und Wirtschaftseinbruch teilweise riesige Löcher in die Budgets. Der Kanton Bern etwa hat ein Defizit von 630 Millionen Franken budgetiert. Das Budget des Kantons Zürich für das kommende Jahr sieht ein Defizit von 541 Millionen Franken vor. Genf rechnet mit einem Defizit von 501 Millionen Franken.
Insgesamt wird mit einem Defizit im Staatssektor von hohen 3,7 Prozent des BIP gerechnet. Damit steht die Schweiz im internationalen Vergleich noch gut da. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) rechnet damit, dass die Schweiz die Corona-Krise besser überstehen dürfte als die Finanzen der meisten anderen Industrieländer.
4. Die Verunsicherung steigt, der Konsum bricht ein
Der private Konsum ist stark von der Corona-Krise beeinflusst. Während des ersten Lockdowns brach das wöchentliche Transaktionsvolumen von Zahlungen und Bargeldbezügen fast um ein Drittel in. Nachdem dieser im Mai wieder gelockert wurden, konsumierten die Menschen auch wieder, was zu einer schnelleren wirtschaftlichen Erholung als zunächst befürchtet beitrug.
Denn der Konsum ist eine wichtige Konsumstütze hierzulande und der Einbruch von ersten Halbjahr kann nicht komplett aufgeholt werden, selbst ohne weiteren Lockdown. Die Verunsicherung über die weitere Entwicklung der Pandemie ist gross: Menschen werden in den kommenden Monaten weniger ausgeben und reisen, Unternehmen halten sich mit Investitionen stark zurück.
Eine weitere Erholung der Wirtschaft würde entsprechend gebremst. Zuletzt hatte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) seine Wachstumsprognose auf minus 3,8 Prozent erhöht. Vor einigen Monaten rechneten Ökonomen noch mit fast doppelt so hohen Einbruch. Eine zweite Corona-Welle wird die Erholung der Wirtschaft allerdings wieder bremsen, denn auch ohne Lockdown ist die Verunsicherung hoch und nur eine Einschränkung des persönlichen Verhaltens der Menschen kann dazu beitragen, dass sich das Virus in den Wintermonaten stark ausbreitet.
5. Negatives Signal
Ein zweiter Lockdown wäre nicht vermittelbar, weder in der Wirtschaft noch bei der Bevölkerung. Der Bundesrat hat auch mit den gerade verkündeten neuen Massnahmen signalisiert, eine Schliessung der Wirtschaft verhindern zu vollen. Denn die Politik weiss, dass ein solches Signal Gift für die Konjunktur wäre.
Das Worst Case wäre ein erneuter Lockdown – Jan-Egbert Sturm, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (Kof), hofft, dass es nicht so weit kommt. «Wir wissen heute einigermassen, wie wir uns verhalten müssen, ohne die Wirtschaft abzuwürgen. Das ist positiv», sagt Sturm, der auch Mitglied der Covid-Taskforce des Bundes ist. Zudem sei die Wirtschaft heute besser auf eine zweite Welle und entsprechende Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie vorbereitet.
Ein Rezept, wie die Ausbreitung des Virus ohne einen Lockdown in Grenzen gehalten werden kann, wird verzweifelt gesucht. Nicht nur in der Schweiz. Andere Länder reagieren derzeit auch auf die zweite Welle mit teilweise strikten Massnahmen.
Und das, obwohl die Regierungen fast ein halbes Jahr Zeit hatten, sich auf dieses Szenario vorzubereiten. Klar scheint den meisten zumindest, dass ein neuer Lockdown das Worst-Case-Szenario ist und in eine weitere Rezession führen würde – vielleicht mit gravierenderen Folgen als die Krise im Frühjahr.
5 Kommentare
Es sprechen also wirtschaftliche Gründe dagegen. Das war doch vorher klar. 5 Gründe dagegen und 10’000 dafür, denn so viele Menschen word die Entscheidung gegen einen Lockdown umbringen. Und die Langzeitfolgen der Überlebenden? Was kosten die über die kommenden 30 Jahre?
Sagen Sie haben Sie eigentlich Ihre Menschlichkeit vollkommen verloren?
Wie wäre es, wenn Sie anstelle polemische Wirtschaftspropaganda zu machen, konstruktive Vorschläge zur Minimierung der negativen wirtschaftlichen Folgen erarbeitete? Hm?
Bereits als "Spätfolgen" des ersten Lockdowns haben nun auch einige Branchen massive Einbrüche zu verzeichnen, die wohl so niemand auf dem Radar hatte und von den Medien nie erwähnt werden: Reifenhandel, Bushandel, Ersatzteil- und Zubehörbereich in der Mobilitätsbranche allgemein, aber auch die Beratungs- und Planungsunternehmungen etc. haben aufgrund von Homeoffice, Meetings per Skype o.ä., keine grossen Auslandreisen etc. im Spätsommer einen massiven Umsatzeinbruch erlitten. Die Kapitalbindungen durch hohe Lagerbestände haben grossen Einfluss auf die Liquidität und erlauben keine Investitionen, die grundsätzlich nötig wären. Ein weiterer Lockdown hätten für diese und viele weitere Branchen (auch die von den Medien meistgenannten) katastrophale Auswirkungen!
Alle 5 Punkte geschehen leider auch ohne Lockdown, da die Verunsicherung bei der Bevölkerung und die entsprechende Konsumzurückhaltung zu gross sind. Daneben ist die individuelle Bereitschaft zur Solidarität bei den veranlassten Massnahmen zu klein und die verlangte Disziplin bei der Maskenhandhabung überfordert jeden normalen Menschen!
Die Konsequenz: So wird ein Virus nicht in die Schranken gewiesen und es wird ein „Schrecken ohne Ende“!
Ein kurzfristiger 3-wöchiger Lockdown hätte wirtschaftlich wahrscheinlich letztendlich nicht viel schlimmere Konsequenzen. Falls er aber medizinisch gesehen erfolgreich wäre, würde der „Schrecken“ viel kürzer dauern.
Drei Wochen „Mini-Lockdown“ und alle Corona-Probleme sind gelöst? Wer glaubt denn da noch an den Weihnachtsmann?
Das Virus wird uns noch längere Zeit begleiten und da nutzt auch kein politischer Aktionismus. Vielmehr werden wir uns alle entsprechend einrichten müssen und überlegen, welche Risiken wir im Leben auf uns nehmen wollen. Unkkoordinierter politischer Aktionismus und ein sich mit Massnahmen überbietender Kantons- und Länderwettbewerb ist weder zum Nutzen der Gesellschaft noch zu jenem der Wirtschaft. Vielmehr ist jetzt Ruhe, Überlegtheit und eine länderübergreifende Koordination von sinnvollen Massnahmen angesagt, die möglichst auf das Verständnis und die Einsicht der Bürger abzielt. Gerade weil viele Menschen aus ihrer eigenen Risikoüberlegung heraus ihr Verhalten anpassen werden, ist schon nur die Diskussion über einen „Mini-Lickdown“ aus meiner Sicht extrem gefährlich, weil der gesamtwirtschaftliche Schaden durch die Verstärkung der Anpassungswirkungen der Bürger enorm sein wird. Schon der Schaden, welcher durch den Lockdown im Frühling entstanden ist und noch entstehen wird, bringt die Staatshaushalte an ihre Limits oder gar darüber hinaus. Also: Ruhe bewahren, Kopf einschalten, Verhalten anpassen und möglichst normal weiterleben! Es wird noch lange dauern! Kurzzeitiger Aktionismus ist das Letzte, was wir brauchen. Einsicht beim Bürger und entsprechend unterstützende Kommunikation ist aus meiner Sicht der bessere und nachhaltigere Weg. Mit Verboten und Lockdowns wird die Politik längerfristig nur den Zorn des Volkes immer stärker provozieren und sich selber ins Abseits manövrieren.
Die Politik hat sich schon jetzt ziemlich im Abseits positioniert. Die widersprüchlichen Aussagen und Verordnungen haben dazu beigetragen. Beispiel gefällig?
Der Kanton Bern erlässt ein Verbot für Grossveranstaltungen mit mehr als tausend Personen. Die Caranvanmesse im BEA-Gelände darf pro Tag 7000 Personen Einlass gewähren (plus sehr viel Aussteller). Im über die Strasse gelegenen Wankdorf dürfen aber nur 1000 Zuschauer eintreten. Wer soll das noch verstehen?