Der Start ins Berufsleben ist derzeit für viele Absolventen nicht einfach. Denn die Wirtschaft ist in einer der schlimmsten Krisen seit Jahrzehnten, weniger Unternehmen stellen ein. Auf einen Schlag haben sich die Arbeitsmarktchancen für eine ganze Generation von Berufseinsteigern verschlechtert.

Experten befürchten langfristige Nachteile. Denn der erste Job ist entscheidend für den Verlauf des weiteren Berufslebens

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Die Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz ist wegen der Corona-Krise stark angestiegen, sie liegt derzeit bei 3,9 Prozent und damit deutlich höher als die allgemeine Arbeitslosenquote. Bei den 20- bis 24-Jährigen erreicht der Wert sogar auf 4,3 Prozent. 

Ein Drittel weniger Ausschreibungen

«Die Jugendarbeitslosigkeit reagiert immer überproportional auf den Konjunkturverlauf», erklärt Arbeitsmarktexperte George Sheldon. Das liege daran, dass jüngere Arbeitnehmer in instabileren, flexibleren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten als ältere Erwerbspersonen. Entlassen Unternehmen in der Krise Personal oder stellen nicht mehr ein, trifft es die Jungen zuerst. Sheldon sagt aber auch, dass keine andere Altersgruppe so schnell wieder eine Beschäftigung findet wie die 15- bis 24-Jährigen.

In der derzeitigen Situation ist das jedoch schwierig, besonders für Hochschulabsolventen. Auf der Job-Plattform der ETH Zürich wurden beispielsweise im August ein Drittel weniger Stellen ausgeschrieben. 

«Es ist schwieriger geworden für Berufseinsteiger, nach der Ausbildung oder dem Studium direkt einen Job zu finden», sagt Fabian Büsser vom Personaldienstleister Michael Page. Diesen Trend beobachtet der Rekrutierungsexperte allerdings nicht erst seit der Corona-Krise. Dennoch verschärfe die Pandemie das Problem. «Wir sehen, dass junge Bewerber ohne Berufserfahrung es schwer haben, die Anforderungen der Arbeitgeber zu erfüllen».

Problemfall Studenten

Viele Unternehmen legen Wert auf praktische Erfahrungen und bevorzugen Fachkräfte. «Ein Student von der Uni ohne jegliche Berufserfahrung hat einen schwierigen Einstieg ins Berufsleben», sagt Büsser. Noch vor einem Jahr sah es anders aus: Bewerber hatten die Wahl und konnten Jobangebote sogar ablehnen. Der Grund: Damals gab zu wenige Bewerber auf eine Stelle. Heute hingegen kommen auf eine freie Stelle schon mal fünf geeignete Bewerber.

Daran dürfte sich in den nächsten ein bis zwei Jahren nicht viel ändern. Dabei sind einzelne Branchen wieder zuversichtlicher: Laut einer Umfrage von Michael Page wollen fast 60 Prozent der unter Schweizer Unternehmen im dritten Quartal wieder Personal einstellen, vor allem in der Pharmabranche, der Logistik und im Finanzsektor. Verhaltener sind hingegen Firmen aus dem Rohstoffhandel, Business Services, Immobilien und Bauwirtschaft. Grosse Unsicherheit herrscht im Tourismussektor und in der öffentlichen Verwaltung. 

Wer in einer Rezession eine Stelle sucht, ist im Nachteil

Internationale Studien zeigen: Im Vergleich zu Neueinsteigern in wirtschaftlich normalen Zeiten sind Einsteiger in Krisen später häufiger arbeitslos, verdienen weniger und steigen seltener auf. Besonders davon betroffen sind Hochschulabgänger. Diese Nachteile können sich bis zu zehn Jahre nach dem Berufseinstieg bemerkbar machen.

Der Grund: Eine längere Phase der Arbeitslosigkeit und die schlechteren ersten Jobs stehen für immer im Lebenslauf. Zudem verzögert es die für Arbeitgeber bei der Einstellung so wichtige Berufserfahrung oder Spezialisierung.

Untersuchungen belegen, dass die Arbeitslosigkeit bei schlecht ausgebildeten Arbeitskräften noch zehn Jahre später höher ist, wenn der Jobeinstieg holprig war und in die Zeit einer Rezession fiel. Ebenso belegt ist, dass höher qualifizierte Arbeitskräfte, die in einer Rezession ins Berufsleben starten, selbst nach zehn Jahren weniger verdienen als ohne Krise.

Bessere Chancen für Auszubildende

Schulabgänger hingegen, die nun eine Ausbildung begonnen haben, haben derzeit wohl bessere Chancen: Der Lehrstellenmarkt ist laut Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) «krisenresistent». Im August wurden 73’000 neue Lehrverträge unterzeichnet – nur 4 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Und auch beim Übergang von der Ausbildung in den Beruf sei bisher noch keine Krisensituation feststellbar, sagt eine Mediensprecherin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). 

Einer Befragung der ETH Zürich vom April zufolge hat die Pandemie zwar bei den meisten Lehrbetrieben keinen Einfluss auf die Weiterbeschäftigung der Lernenden. Doch immerhin ein Fünftel der Unternehmen macht es vom weiteren Geschäftsverlauf abhängig, ob sie die Auszubildenden übernehmen.

ILO befürchtet «Lockdown-Generation»

Dass es die Jungen in der Corona-Krise besonders hart trifft, ist weltweit zu beobachten. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) haben 17 Prozent der jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren wegen der Pandemie den Job verloren. Denn nahezu 80 Prozent der jungen Arbeitnehmer rund um den Globus sind in sogenannten informellen Jobs beschäftigt, also mit weniger Jobsicherheit. Die Folge: In Krisen werden sie häufiger arbeitslos. 

Die ILO empfiehlt daher ihren Mitgliedstaaten Massnahmen, die verhindern, dass junge Menschen nicht den Anschluss zum Arbeitsmarkt verlieren und eine «Lockdown-Generation» entsteht. Seit Anfang des Jahres ist das globale Arbeitseinkommen um fast 11 Prozent beziehungsweise um 3,5 Billionen Dollar aufgrund von Arbeitslosigkeit oder reduzierter Arbeitszeiten geschrumpft, wie die Organisation gerade mitteilte.