«Die Lage ist nicht so schlecht. Die Bewertungen für Aktien ausserhalb der USA sind sehr attraktiv.» So lautet die Botschaft von Jan Hatzius an die Aktienanleger. Der Chefökonom von Goldman Sachs erachtet vor allem Emerging-Markets-Aktien als momentan interessant: «Die Wirtschaft in diesen Ländern sollte sich etwas besser entwickeln und die Bewertungen sind recht attraktiv», sagt Hatzius im Interview mit der «Handelszeitung».
Insgesamt zeichnet Hatzius im Gespräch mit der Handelszeitung einen sehr freundlichen Ausblick für das laufende Wirtschaftsjahr: «Wir denken, dass das globale Wachstum 2019 und 2020 zwar zurückgeht, aber dass es immer noch in der Nähe des langfristigen Trends liegt; allerdings mit ziemlich grossen Unterschieden von einem Land zum andern.»
In den USA sieht Hatzius zwar «eine gewisse Abschwächung», so Hatzius, «in vielen Schwellenländern gibt es dagegen eine Erholung». Laut dem «Global Economic Outlook» 2019 von Goldman Sachs sollte die Weltwirtschaft insgesamt um 3,5 Prozent zulegen.
«Verblüffende ökonomische Prognosen»
Jan Hatzius, geboren 1968 in Heidelberg, ist seit 2008 Partner bei Goldman Sachs in New York und amtiert seit 2011 als oberster Ökonom der führenden Investmentbank. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeit, darunter den Lawrence R. Klein Award 2009 «für seine verblüffenden ökonomischen Prognosen im Vorfeld der Finanzkrise».
In China «sollte sich im Jahresverlauf 2019 eine Stabilisierung ergeben, vielleicht sogar eine leichte Verbesserung», prognostiziert Hatzius in der «Handelszeitung» weiter. Die Überlegung dabei: Die chinesische Regierung sei jetzt wieder in einer Phase, wo sie sich eher um das Wachstum als um die Verschuldung sorge; folglich erlaube sie eine fiskalische Lockerung und die Banken würden wieder ermutigt, ihre Kreditvergabe etwas auszuweiten. «Das dürfte sich in den kommenden Quartalen in einer Stabilisierung des Wachstums niederschlagen.»
Den Brexit erachtet Hatzius als grosse Herausforderung für das Vereinigte Königreich – «aber nicht für die Weltwirtschaft». Andererseits zählt der deutsche Ökonom Europa insgesamt zu den Risikfaktoren, «etwa wenn die Spannungen in Italien wieder aufflammen».
Die Schweizer müssten derweil wohl noch mit anhaltenden Negativzinsen rechnen: «Mein Eindruck ist, dass es bei den aktuellen Unsicherheiten in der Euro-Zone nicht Zeit ist, eine Normalisierung der Nationalbankpolitik zu erwarten.» Die zunehmend eifrig geäusserte Kritik an den Negativzinsen – etwa von Banken- und Pensionskassen-Seite – beurteilt der in New York tätige Hatzius distanziert: Negativzinsen schafften vielleicht aus mikroökonomischer Sicht Verzerrungen. Aber «grosse makroökonomische Probleme» seien «deswegen nicht zu erwarten».