An diesem Sonntag wurde der weltgrösste Handelspakt besiegelt: Die «Regional Comprehensive Economic Partnership» (RCEP) umfasst die Asean-Staaten Vietnam, Philippinen, Singapur, Indonesien, Malaysia, Thailand, Myanmar, Brunei, Laos und Kambodscha, ferner China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Acht Jahre lang hatten die Minister über die Regionale Umfassende Wirtschaftspartnerschaft verhandelt, 2021 soll sie in Kraft treten – und 2,2 Milliarden Menschen umfassen.

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Das Abkommen wird den chinesischen Einflusses in der Region ausweiten, so eine gängige Interpretation. Und sonst? Was sind die Folgen? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

1. Wieso ist RCEP wichtig?

Die 15 Mitgliedstaaten streben eine schrittweise Senkung von Zöllen an. Der Pakt umfasst rund ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung und rund 30 Prozent der Weltbevölkerung. Der Vertrag ist zwar nicht so weitreichend wie das Nachfolgeabkommen der Transpazifischen Partnerschaft – das CPTPP von 2018 –, auch werden die Zölle nicht so weit gesenkt. Doch alleine durch die Grösse des Marktes, den RCEP umspannt, ist es wichtiger.

Zudem ist es das erste Freihandelsabkommen, das je zwischen den drei asiatischen Wirtschaftsmächten China, Japan und Südkorea geschlossen wurde. Denn anders als beim CPTPP ist auch China mit dabei: Das Reich der Mitte hat zwar eine Reihe von bilateralen Handelsabkommen, etwa mit Südkorea, doch noch nie ist es einem multilateralen Pakt beigetreten.

Einige Beobachter halten RCEP allerdings für wenig ambitioniert und eher von symbolischer Natur. Andere wiederum sehen darin einen Baustein in Richtung einer neuen Weltordnung, in der China in Asien das Sagen hat.

Welche Bedeutung hat es für seine Mitglieder?

Die Unterzeichnerstaaten hoffen vor allem die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie anzukurbeln, indem sie ihren Handel liberalisieren. Allerdings erfolgt der Zollabbau schrittweise – verteilt über die nächsten 20 Jahre. Auch blieb zunächst offen, für welche Warengruppen und Länder die sofortige Abschaffung gelten soll.

RCEP sieht zwar eine geringe und langsamere Senkung von Zöllen vor als andere Handelsabkommen. Bedeutender seien aber die Regeln für eine transparentere öffentliche Auftragsvergabe und der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse, sagt Simon Evenett, Handelsökonom an der Universität St. Gallen. Dies hätte einen positiven «Spill-Over-Effekt» für den Rest der Welt.

Auf lange Sicht sei das Abkommen ein «Sieg des Multilateralismus und des Freihandels», verkündete der chinesische Premier Li Keqiang. Mit einer Wirtschaftsleistung von rund 26 Billionen Dollar ist die neue Freihandelszone grösser als das USA-Mexiko-Kanada-Abkommen (ehemals Nafta) und die Europäische Union

3. Wieso fehlt Indien?

Auch Indien hatte zunächst mitverhandelt, zog sich vergangenes Jahr jedoch zurück, weil das Land befürchtete, mit niedrigeren Zöllen den eigenen Produzenten durch chinesische Importe zu schaden. Die Tür stehe jedoch weiter offen für Indien, sagten die Unterzeichnerstaaten.

Indien wäre die drittgrösste Volkswirtschaft im RCEP gewesen, hat aber generell nur wenige bilaterale Freihandelsabkommen. Vor allem die Beziehungen zu China sind seit Jahren angespannt und verschlechterten sich in jüngster Zeit noch zusätzlich durch den Grenzkonflikt im Himalaya.

Durch den Rückzug Indiens hat sich der Schwerpunkt des Handelspakts in Richtung China, Japan und Südkorea verschoben – und könnte sogar den Weg bereiten für ein weiteres Abkommen zwischen diesen drei asiatischen Wirtschaftsgrössen, erklärt Simon Evenett.

4. Was bewirkt das Abkommen?

In den kommenden 20 Jahren sollen bis zu 90 Prozent der Einfuhrzölle abgeschafft werden. Zudem enthält der Vertrag Regelungen über geistiges Eigentum, Telekommunikation, Finanzdienstleistungen, E-Commerce und Dienstleistungen. Die grössten Auswirkungen werden möglicherweise die Ursprungsregeln haben, die offiziell festlegen, wo ein Produkt herkommt.

Zwar haben einige der Mitgliedstaaten bereits Handelshandelsabkommen untereinander, aber diese gehen nicht so weit wie das RCEP. Im Rahmen des RCEP würden alle Waren und Teile aus einem der Mitgliedstaaten gleich behandelt. Für Unternehmen aus diesen Ländern wird es damit interessanter, ihre Lieferanten innerhalb der Handelsregion zu suchen. 

Das Abkommen soll beachtliche wirtschaftliche Vorteile bringen. Laut einer Analyse des Peterson Institute for International Economics soll es der Weltwirtschaft pro Jahr 186 Milliarden Dollar zusätzlich einbringen. Davon profitieren vor allem China, Japan und Südkorea – diese drei könnten später eine eigenes Handelsabkommen schliessen, schreibt auch «The Economist»

5. Wer profitiert davon?

Laut einer Schätzung des Peterson Institute for International Economics könnte RCEP 0,2 Prozent zusätzliches Wachstum für seine Mitglieder bringen. Während das Abkommen vor allem China, Japan und Südkorea zugute kommen wird, könnte der wirtschaftliche Vorteil für Südostasien hingegen minimal sein.

Bevor überhaupt ein Land profitiert, muss das Abkommen erst in neun Ländern ratifiziert werden. Experten schätzen, dass dies einige Zeit in Anspruch nehmen könnte. Denn einige nationale Parlamente sind nicht nur skeptisch gegenüber dem Freihandel, sondern auch gegenüber China.

Ohnehin dürfte China der grösste Gewinner sein: Indem es dem ersten multilateralen Handelsabkommen beitritt, präsentiert sich das Land als Befürworter des freien Handels – und das inmitten eines Handelskonflikts mit den USA, der noch nicht ausgetragen ist. «Hätte nicht Joe Biden, sondern Donald Trump die US-Wahl gewonnen, wäre das Abkommen noch bedeutender für China», sagt Simon Evenett.

6. Was bedeutet das Abkommen für den Handel USA-China?

Wäre Donald Trump 2017 nicht aus den TPP-Verhandlungen ausgestiegen, wäre das RCEP wohl gar nicht zustande gekommen, sagen Experten. Dass der neue Präsident Joe Biden dem CPTPP beitreten will, wie er bereits ankündigte, könnte in den USA grossen Widerstand wecken. Simon Evenett hält es für unwahrscheinlich, dass die künftige US-Regierung neue Handelsabkommen schliessen wird.

Dennoch das Reich der Mitte seine multilaterale Freihandelsagenda ein Stück weiter gebracht: Die neue regionale Partnerschaft dürfte Chinas Einfluss in der wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Region der Welt weiter stärken. Experten zufolge könnte die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt auch versuchen, seine Abhängigkeit von Märkten in Übersee zu forcieren. Das neue Abkommen verschaffe China mehr Spielraum im Handelskrieg mit den USA und gegenüber dem allgemein zunehmenden Protektionismus, kommentiert das asiatische Nachrichtenportal «Asia Times».

Einige Experten halten es gar für die Geburtsstunde des asiatischen Jahrhunderts. Dass China seine wirtschaftliche, politische und militärische Macht in Asien ausbaut, wird aber auch kritisch beäugt. Vor allem in Südostasien hoffen viele, dass die US-Regierung unter Joe Biden sich wieder stärker in der Region engagiert

7. Was bedeutet es für Europa und die Schweiz?

Laut offiziellen Angaben aus Peking hat der südostasiatische Handelsblock Asean die Europäische Union dieses Jahr als Chinas grösster Handelspartner überholt. Die Gründe: Die Nachfrage aus Europa stockt und der jahrelange Handelskonflikt mit den USA macht sich bemerkbar. Aller Voraussicht nach dürfte die EU im kommenden Jahr allerdings wieder aufholen.

Dass China bald den Handel in dem neuen Wirtschaftsraum dominieren dürfte, könnte für die EU einen Rückschlag bedeuten. Simon Evenett von der Universität St. Gallen sieht das anders: Die EU habe ebenso wie die Schweiz bereits mehrere Handelsabkommen mit Ländern in der Region. RCEP habe für Europa daher weder für positive noch für negative Auswirkungen. Wenn Handelshemmnisse in Asien abgebaut und transparentere Regeln eingeführt werden, profitierten letztlich aber auch die Handelspartner in Europa und der Schweiz.

8. Was ist der Unterschied zum CPTPP?

Viele der RCEP-Mitglieder sind auch der Transpazifischen Partnerschaft (CPTPP) angeschlossen. 11 Länder unterzeichneten das Abkommen 2018, das ursprünglich auch mit den USA verhandelt wurde – bis Donald Trump sich kurz nach seinem Amtsantritt daraus zurückzog. CPTPP ist zwar nicht so umfassend in Bezug auf Bevölkerungszahl und die Wirtschaftsleistung seiner Mitglieder, geht aber viel weiter als RCEP: Es enthält Umwelt- und Arbeitsstandards sowie Regeln für staatliche Unternehmen.

Zudem werden im CPTPP noch mehr Zölle und viel schneller abgebaut. Auch lässt die neue Regionale Umfassende Wirtschaftspartnerschaft sowohl Dienstleistungen als auch die Landwirtschaft weitgehend aussen vor. Japan etwa wird weiterhin hohe Einfuhrzölle auf seine wichtigsten Agrarprodukte behalten – die im CPTPP hingegen wegfallen. 

«RCEP ist oberflächlich», sagt auch Simon Evenett. Die trans-pazifische Partnerschaft CPTPP zwischen Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam ist bislang von sieben Staaten ratifiziert und umfasst 480 Millionen Menschen. Das neue RCEP-Abkommen mit China sei eher eine Ergänzung. Nur Japan, Vietnam, Singapur, Brunei, Malaysia, Australien und Neuseeland gehören beiden an.