EZB-Chefökonom Philip R. Lane warnt vor zu hohen Lohnabschlüssen als Reaktion auf die extrem gestiegene Inflation. Diese könnten zu Zweitrundeneffekten und damit zur Lohn-Preis-Spirale führen.
«Die hohe Inflation wird ihren Niederschlag in höheren Löhnen finden müssen. Aber es braucht ein Gleichgewicht», sagte Lane der österreichischen Tageszeitung «Der Standard» in einem am Dienstag veröffentlichten Interview.
«Die Löhne werden stärker steigen als in den vergangenen Jahren. Aber der Versuch, die Arbeitnehmer durch höhere Einkommen voll und ganz vor der Inflation zu bewahren, würde die Kosten der Unternehmen deutlich in die Höhe treiben und zu Zweitrundeneffekten führen.» Unter Zweitrundeneffekten versteht man eine Lohn-Preis-Spirale: Steigen Löhne als Reaktion auf hohe Inflation zu stark, könnte das die Preise weiter nach oben treiben.
«Um zu einer niedrigeren Inflation zurückzukehren, ist die Erkenntnis notwendig, dass die Rentabilität der Unternehmen eine Zeit lang sinken wird und dass die Löhne auch eine Zeit lang nicht ganz mit der Inflation Schritt halten können», sagte Lane. Hohe Teuerungsraten mindern die Kaufkraft von Konsumentinnen und Konsumenten.
Vor allem stark gestiegene Energiepreise und Lieferengpässe heizen seit Monaten die Teuerung an. Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht, mit höheren Zinsen gegenzusteuern. Die Notenbank strebt für den Euroraum mittelfristig stabile Preise bei einer Inflationsrate von zwei Prozent an. Im August lagen die Verbraucherpreise im Währungsraum um 9,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.
Die EZB erwarte, «dass die Inflation 2023 deutlich und 2024 weiter zurückgehen wird», bekräftigte Lane. Der Rückgang der Inflation werde grösstenteils daher kommen, dass sich die Energiepreise stabilisierten und Lieferengpässe nachliessen. «Und die Löhne werden im Laufe der Zeit in gewissem Masse aufholen, so dass sich der Lebensstandard der Menschen wieder verbessern wird», sagte der EZB-Chefökonom.
(SDA)