Seit Mitte Januar sind die meisten Sanktionen gegen den Iran Geschichte: Mit der Atom-Vereinbarung steht das Land mit seinen rund 80 Millionen Einwohnern wieder für die europäische Wirtschaft offen. Viele Konzerne wollen die Chance nutzen, auch Schweizer Unternehmen wie der Autozulieferer Autoneum planen eine Expansion in die Islamische Republik.
Ein Sektor hält sich aber auffallend zurück: Banken. Zwar haben erste Schweizer Institute auf die neue Geschäftsmöglichkeit reagiert, beispielsweise arbeitet die Genfer Bank Reyl mit der iranischen Finanzgruppe Turquoise zusammen. Grosse Institute wie die Credit Suisse haben aber bislang kein Interesse am Iran bekundet.
Angst vor Uncle Sam
Nicht nur Schweizer Grossbanken sind vorsichtig: Auch andere europäische Branchengrössen sind noch nicht im Iran tätig. Die Zurückhaltung liegt wohl vor allem an den USA. Denn die Amerikaner haben ihre Sanktionen gegen den Iran weniger stark gelockert als die Europäer. Weil Grossbanken eng mit der US-Wirtschaft verflochten sind, laufen sie somit Gefahr, gegen amerikanische Regeln zu verstossen. Ein solcher Regelbruch kann schmerzhaft sein – dies hat auch die Credit Suisse erfahren: 2009 zahlte sie in den USA eine Busse über 536 Millionen Dollar wegen Geschäfte im Iran und Syrien.
Handelszeitung.ch hat mit Majid Ghassemi gesprochen, Gründer und CEO von Irans grösster Privatbank Pasargad. Ansehen erwarb sich der unter anderem in Southampton ausgebildete Banker als Gouverneur der iranischen Zentralbank. Im Interview erklärt Ghassemi, was er vom US-amerikanischen Druck auf europäische Bank hält – und welche Pläne sein Institut in der Schweiz hat.
Viele europäische Banken schrecken aus Angst vor Problemen mit den USA davor zurück, sich im Iran zu engagieren. Was sagen Sie dazu?
Majid Ghassemi*: Der Druck besteht nur für die Grossbanken, einige mittelgrosse Institute haben begonnen, mit dem Iran zusammenzuarbeiten. Der Druck ist nicht fair, und die USA sollten damit aufhören. Es widerspricht der Vereinbarung zur Lösung des Atomstreits: Alle Parteien verpflichten sich darin, das Abkommen in gutem Glauben umzusetzen. Die Institute riskieren, ihre Chancen im Iran zu verpassen. Beispielsweise will der Iran über die nächsten fünf Jahre 180 Milliarden Dollar im Ölsektor investieren.
Banken aus anderen Ländern sind bereits vor Ort?
Viele Länder wollen investieren, beispielsweise China, Indien oder Südkorea. Grosse Banken wie die UBS und Credit Suisse sollten sich bewusst sein, dass sie rasch handeln müssen, wenn sie eine Chance haben wollen.
Ihre Bank will im Ausland expandieren. Haben Sie Pläne für die Schweiz?
Die Schweiz ist eines der Länder, auf die wir uns fokussieren. Wir sind im Gespräch mit den Behörden, um eine Filiale zu eröffnen oder eine Tochtergesellschaft zu gründen.
Wollen Sie in der Schweiz auch Investoren suchen?
Sicher, wenn das Interesse da ist. Wir finanzieren viele Grossprojekte, unter anderem in der Chemie- und Ölindustrie oder im Gesundheitswesen. Für ein Projekt im Ölsektor suchen wir beispielsweise zurzeit Investitionen über 12 Milliarden Dollar.
Wann wollen Sie ihre Aktivitäten in der Schweiz starten?
Wir sind bereit. Es hängt davon ab, wann wir von den Schweizer Behörden grünes Licht bekommen. Ich gehe davon aus, dass wir alle Voraussetzungen erfüllen.
Gibt es bereits Verhandlungen mit Schweizer Investoren?
Bisher nicht. Wir hoffen, dass dies bald möglich ist.
Das Gespräch wurde am Rande des Europe-Iran-Forums in Zürich geführt.
*Majid Ghassemi ist Gründer und CEO der Bank Pasargad. Von 1986 bis 1989 war er Gouverneur der iranischen Zentralbank. Pasargad ist die grösse Privatbank Irans und verfügt über 4,5 Millionen Kunden.