Noch ist die generelle Wirtschaftslage positiv, das gilt vor allem für die Schweiz. Die Arbeitslosigkeit ist sogar sehr tief, die Anzahl offener Stellen rekordhoch und die Teuerung im Vergleich zum Ausland noch immer gering. Selbst in den grossen Volkswirtschaften wie den USA und Deutschland ist das Bild bisher positiv, wenn man von der Teuerung absieht. Sie aber ist so hoch, wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Das Bild, das der Internationale Währungsfonds und die Weltbank in ihren jüngsten Veröffentlichungen für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft zeichnen, passt ganz und gar nicht zu diesem insgesamt sonnigen Bild.
Treffsicherheit von BIP-Prognosen am Tiefpunkt
Am meisten Schlagzeilen machen die Wachstumserwartungen für das Bruttoinlandprodukt. Diese hat der Fonds deutlich reduziert: Für das laufende Jahr erwartet er weltweit noch eine Zunahme um 3,6 Prozent nach 6,1 Prozent im letzten Jahr. Für die Schweiz lautet die Prognose auf 2,2 Prozent nach 3,7 Prozent im Vorjahr.
Das generelle Problem mit diesen exakt anmutenden Daten: Ihre Treffsicherheit hat in Wahrheit einen neuen Tiefpunkt erreicht, wie der neue Chefökonom des IWF, Pierre-Olivier Gourinchas, selbst schreibt: «Die Unsicherheit zu den Projektionen ist erheblich und weit über dem gewöhnlichen Rahmen.» Und er schreibt auch, dass ein besseres Resultat nicht zu erwarten sei, die Lage drohe vielmehr deutlich schlimmer zu werden.
Zinserhöhung befeuert Gefahr eines Wirtschaftseinbruchs
Ohnehin verdecken Wachstumszahlen die tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgänge und Risiken. Die detaillierten Ausführungen dazu in den IWF-Berichten können einem das Grauen lehren. Ein entscheidender Grund dafür, aber nicht der einzige, ist die Invasion der Russen in die Ukraine. Eine Folge dieses Krieges – und ebenfalls bei weitem nicht die einzige – sind drastisch gestiegene Preise für Erdöl, Erdgas, Weizen und viele weitere Rohstoffe.
Dazu kommt der neuerliche Lockdown in für die Weltwirtschaft entscheidenden chinesischen Metropolen. Und die Wirtschaftspolitik kann diesmal wenig zur Linderung tun. Die stark gestiegene Staatsverschuldung in vielen Ländern und die wieder steigenden Zinsen grenzen die Möglichkeiten für zusätzliche Staatsausgaben ein. Die Schubumkehr bei der Geldversorgung, zu der Notenbanken angesichts der Inflation gezwungen sind, erhöht die Gefahr eines Wirtschaftseinbruchs sogar zusätzlich.
Hungersnöte und Wirtschaftskrisen drohen in Schwellenländern
Die Folgen höherer Zinsen und steigender Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise drohen zudem in Schwellenländern Hunger-, Finanz-, Währungs- und politische Krisen auszulösen, was die weltwirtschaftlichen und geopolitischen Verwerfungen noch verschärfen dürfte.
Nach einer schweren Krise wie jener durch das Coronavirus beschönigen überdies selbst scheinbar positive Wachstumsraten das Bild. Das Wachstum muss prozentual grösser sein als der Einbruch, nur schon, um das Vorkrisenniveau wieder zu erreichen. Viele Länder sind davon noch weit entfernt, erst recht, wenn man das Bevölkerungs- und Produktivitätswachstum mit berücksichtigt.
1 Kommentar
Die EZB hätte viel früher reagieren können. Das FED hat nun wenigstens zugegeben, dass sie spät dran sind mit den Zinserhöhungen. Das hat es historisch noch nie gegeben, dass der Bürger durch die Inflation (DE) 7.5% seines Sparkapitals verliert und dazu die Banken für sein Guthaben noch Minuszinsen belasten. Die Ausrede mit günstiger Geldversorgung für die EU Südländer zieht auch nicht. Hier hätte die EU, analog Griechenland, Sonderkredite sprechen können, anstatt die EZB für alle das Geld viel zu billig anbietet. Diese Rechnung zahlen wir nun durch die Inflation.