Der mit der Wiedereröffnung der US-Wirtschaft nach der Corona-Krise verbundene Inflationsschub hat die Notenbank Fed offenbar kalt erwischt. Bei einer Anhörung im US-Senat räumte Fed-Chef Jerome Powell am Donnerstag ein, dass diese historisch betrachtet «einmalige» Teuerung höher ausgefallen sei als die Fed «oder irgendjemand» erwartet hätte.
Sie gehe nicht wie in früheren Konjunkturphasen mit einem heiss laufenden Arbeitsmarkt einher. Vielmehr sei mit der Wiedereröffnung «ein Schock durch das System gegangen» und habe die Teuerung weit über die von der Fed angestrebte Zwei-Prozent-Marke getrieben: «Natürlich sehen wir das nicht entspannt.» Die Verbraucherpreise waren im Juni überraschend kräftig um 5,4 Prozent zum Vorjahr gestiegen und hatten Spekulationen auf eine vorzeitige Zinswende genährt.
Konjunkturförderung im Vordergrund
Solange sich die Inflation als vorübergehend erweise, verbiete sich eine Reaktion darauf, betonte Powell. Doch wenn sie sich wider Erwarten länger hinziehen sollte, müssten die Risiken weiter bewertet werden - insbesondere mit Blick auf die Inflationserwartungen. Die Fed fördere mit ihrer Geldpolitik die Konjunktur. Dies werde auch «geraume Zeit» so bleiben, selbst wenn die Notenbank letztlich ihre Anleihenkäufe herunterfahren sollte und selbst nach einer Zinserhöhung.
Powell hatte am Vortag im Repräsentantenhaus bekräftigt, dass die hohe Inflationsrate vorübergehend sei und «in den kommenden Monaten» nachgeben werde. Ausserdem sei der Arbeitsmarkt noch «ein ganzes Stück» von dem Niveau entfernt, ab dem die Zentralbank die geldpolitische Unterstützung für die Wirtschaft zurückfahren werde. Dennoch werde sich die Fed Ende Juli mit dem Abschmelzen der Käufe beschäftigen.
Die Fed unterstützt die von der Corona-Krise getroffene Wirtschaft mit dem Ankauf von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren (MBS) in Höhe von monatlich 120 Milliarden Dollar. Sie will daran so lange festhalten, bis substanzielle Fortschritte bei der Preisstabilität und am Arbeitsmarkt erreicht sind.
Janet Yellen: Nur vorübergehend
US-Finanzministerin Janet Yellen bekräftigte in einem Radio-Interview am Donnerstag, dass die derzeit erhöhte Inflation nur vorübergehend sein werde. Jedoch müsse die Preisbeschleunigung sehr sorgfältig beobachtet werden, sagte Yellen dem «National Public Radio». Die Inflation werde nicht bereits im nächsten Monat verschwinden. Mittelfristig dürfte dies jedoch der Fall sein.
Yellen drückte zudem ihre Sorgen mit Blick auf den Häusermarkt aus. In einem Interview mit «CNBC» sagte sie, dass Familien, die erstmals eine Immobilie erwerben wollten, angesichts hoher Preise Druck ausgesetzt seien. Der Kongress werde sich Pläne der Regierung unter Präsident Joe Biden anschauen, das Angebot von erschwinglichen Immobilien zu erhöhen.
Zudem lobte sie die US-Notenbank. Sie habe Respekt vor der Federal Reserve. Ausserdem sei es wichtig, dass diese unabhängige Entscheidungen treffen könne. «Ich denke, dass die Fed einen guten Job gemacht hat».