Die neuen Konjunkturhilfen der Bundesregierung kommen bei Ökonomen gut weg. «Ich denke, dass mehr kaum geht», sagt der Deutschland-Chefökonom der Bank ING, Carsten Brzeski, der Nachrichtenagentur «Reuters»: «Das setzt alles an den richtigen Stellen an: Nachfrage und zukunftsorientierte Investitionen stärken und weiterhin versuchen, den kurzfristigen Schaden abzufedern.»
Die gesamten Konjunkturmassnahmen gegen die Corona-Krise summierten sich mittlerweile auf knapp zehn Prozent des Bruttoinlandproduktes. «Davon hätte man vor ein paar Monaten nicht träumen können», sagte Brzeski.
Prämie für Elektroautos
Wie die Regierungskoalition in Berlin am Mittwochabend bekanntgab, wird ein 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket aufgegleist. «Wir wollen mit 'Wumms!' aus der Coronakrise kommen», so Finanzminister Olaf Scholz dazu. Ein Kern des Pakets ist eine Senkung der Mehrwertsteuer: Der Standardsatz sinkt von 16 auf 13 Prozent – allerdings vorerst auf sechs Monate begrenzt, mit Start am 1. Juli. Diese Massnahme wird den Bund rund 20 Milliarden Euro kosten.
Strittig war bis zuletzt die Kaufprämie für Autos, für die sich die «Auto-Bundesländer» Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg stark gemacht hatten. Anders als während der Finanzkrise 2009 wird es nun aber keine Abwrackprämie geben, sondern lediglich eine Verdopplung der Kaufprämie für Elektroautos. Hinzu kommen ein einmaliger «Kinderbonus» von 300 Euro für Familien sowie Stützungsbeiträge an klamme Gemeinden.
Zum Ganzen gehört schliesslich auch ein klassisches keynesianisches Infrastruktur- und Modernisierungsbündel: 50 Milliarden Euro sollen in den Klimaschutz, in Artificial Intelligence, in Forschung, Mobilfunknetze, neue Nutzfahrzeuge oder Produktionsanlagen für Wasserstoff fliessen.
«Spiegel online» titelt dazu mit «Fett, teuer, mutig». «Die Zeit» sieht «Milliarden, die Hoffnung machen» und analysiert: «Was das Ökonomische angeht, so verknüpft das Programm das kurzfristige Ziel einer Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage mit dem langfristigen Ziel einer sozial-ökologischen Transformation.» Etwas vorsichtiger das «Handelsblatt», das den Knackpunkt bei der Umsetzung in die Realität sieht: «Die Regierung vertraut auf die Konsumlaune der Bürger», und weiter: «Jetzt müssen die Büerger nur noch shoppen gehen, bevor die Rechnung kommt.»
«Das Konjunkturpaket ist sicherlich in der Lage, die Rezession zu dämpfen, abschaffen kann man sie natürlich nicht.»
Clemens Fuest, Ifo-Institut München
Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer hält das Ganze «für besser als gedacht»: «So führt die überraschend beschlossene befristete Senkung der Mehrwertsteuer zum Vorziehen von Konsum und hilft allen und nicht nur einzelnen Branchen», sagte er «Reuters». Hilfreich sei auch die Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge.
«Das Paket wird die Konjunktur stützen zu einer Zeit, in der es wirklich nötig ist», sagte auch der Chefökonom der Berenberg Bank, Holger Schmieding. Es geht darum, dass Sozialversicherungsbeiträge bis Ende 2021 bei 40 Prozent gedeckelt, damit die Lohnnebenkosten nicht steigen. Gleichzeitig verspricht die Regierung von Kanzlerin Merkel aber, keine Sozialleistungen zu kürzen: Was fehlt, wird aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen.
«2021 kommt jedenfalls der gegenteilige Effekt»
«Über den reinen Inhalt hinaus zeigt es, dass die Regierung trotz vieler interner Diskussionen handlungsfähig ist», so Schmieding weiter: «Das allein kann das Vertrauen in die Zukunft etwas stärken.» Für Unternehmen sei besonders wichtig, dass die Sozialversicherungsbeiträge bei 40 Prozent gedeckelt werden sollen. Schliesslich seien Lohnnebenkosten ein wichtiger Faktor für Standort- und Investitionsentscheidungen.
Kritisch zur Mehrwert-Steuersenkung äusserte sich Gabriel Felbermayr vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Er wittert letztlich eine Art Nullsummenspiel:
Im Deutschlandfunk nahm Clemens Fuest Stellung, der Präsident des Ifo-Instituts in München: «Das Konjunkturpaket ist sicherlich in der Lage, die Rezession zu dämpfen, abschaffen kann man sie natürlich nicht.» Und weiter: «Das Ganze wird der Bevölkerung sicherlich auch Mut machen und den Unternehmen.» Das dürfte die Stimmung «ein bisschen verbessern».
Die Krise selbst sei aber doch so massiv, dass man sie damit nicht so leicht aus der Welt schaffen könne. «Sehr viel wird davon abhängen, ob wir eine zweite Welle der Infektionen bekommen», sagte Fuest.
(«Reuters» – rap)