Der von EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Aussicht gestellte Zeitplan von zweimal einem Viertelpunkt an Zinserhöhungen hat Kollegen verärgert, die sich die Option eines schnelleren Vorgehens offen halten wollen, wie mit der Angelegenheit vertraute Personen berichten.
Der am Montag in einem Blogeintrag bekannt gewordene Plan für den Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik bis zum Ende des dritten Quartals würde eine Erhöhung um einen halben Prozentpunkt effektiv ausschliessen - eine Position, die einigen der falkenhafteren EZB-Vertreter Unbehagen bereitet, sagten die Personen, die nicht namentlich genannt werden wollten.
25 Basispunkte auf den Sitzungen im Juli und September
Lagardes Absicht, die seit mehr als einem Jahrzehnt unter Null liegenden Zinssätze bis Ende September zu beenden, wurde am Montag in einem Blogbeitrag auf der Website der Europäischen Zentralbank dargelegt. Aus der Darstellung würde sich eine Anhebung um jeweils 25 Basispunkte auf den Sitzungen im Juli und September ergeben. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.
Während sich die Zentralbanker in den letzten Wochen zunehmend auf eine erste Zinserhöhung auf ihrer Sitzung am 21. Juli geeinigt haben, haben sie die Möglichkeit eines aggressiveren Zinsschritts um einen halben Punkt, wie ihn die US-Notenbank in diesem Monat vorgenommen hat, kaum erwähnt.
Inflation «auf kurze Sicht» das Hauptproblem
Das einzige Ratsmitglied, das diese Option bisher öffentlich angedeutet hat, war der niederländische Zentralbankgouverneur Klaas Knot, der am 17. Mai sagte, dass er eine Anhebung um einen Viertelpunkt bevorzugen würde, «es sei denn, neue Daten, die in den nächsten Monaten eingehen, deuten darauf hin, dass sich die Inflation weiter ausweitet oder aufstaut.»
Der zum Lager der Falken zählende Bundesbankpräsident Joachim Nagel sagte am Montag auf einer Konferenz in Wien, dass die Lohnzurückhaltung in Deutschland vorbei sei und für die zweite Jahreshälfte höhere Lohnabschlüsse zu erwarten seien. EZB-Rat Francois Villeroy de Galhau sieht in der Inflation «auf kurze Sicht» das Hauptproblem. «Die Frage des Wachstums wird wieder aufkommen, aber ich würde die Idee eines kurzfristigen Zielkonflikts zwischen Inflation und Wachstum zurückweisen», so der Franzose in Davos beim World Economic Forum.
Inflation in der Eurozone inzwischen bei 7,4 Prozent
Die Vertreter der Zentralbank haben Einigkeit darüber gezeigt, dass sie bis Juli warten wollen, anstatt mit einem Schritt im Juni rascher zu handeln. Letzteres würde im Widerspruch zu ihrer Orientierung stehen, wonach die Anleihekäufe vor einer Zinserhöhung beendet werden sollten.
Mögliche Spannungen hinter den Kulissen über den geldpolitischen Kurs würden vor dem Hintergrund eines sich rasch verändernden globalen Wirtschaftsumfelds stattfinden. Die Inflation hat in der Eurozone inzwischen 7,4 Prozent erreicht, und die meisten anderen Zentralbanken haben bereits eine Straffung der Geldpolitik eingeleitet.
Etwaige Unstimmigkeiten würden Erinnerungen an die Amtszeit von Lagardes Vorgänger Mario Draghi wachrufen, dessen Führungsstil einige Kollegen verärgerte, die ihre Ansichten gegen Ende seiner Amtszeit immer deutlicher kundtaten.
Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen, die sich in den letzten Wochen deutlich geäussert haben, war Lagarde relativ zurückhaltend, wenn es darum ging, ihre Meinung zu Zinserhöhungen zu äussern. Dies macht ihre Äusserungen vom Montag umso bedeutsamer.
(bloomberg/gku)